Medikamenten-VersorgungPreiskürzungen in den USA verändern den globalen Markt
Pharmakonzerne orientieren sich am amerikanischen Markt. Weil dieser die Spielregeln ändert, streichen sie Forschungsprojekte. Das trifft auch Roche und Novartis.

Die USA entscheiden über den Medikamentenmarkt auf der ganzen Welt. Denn an ihren Regeln orientieren sich die Pharmafirmen. Das Land ist wegen seiner Grösse und seiner bislang frei festlegbaren und damit höchsten Preise für sie entscheidend. Nun hat die Regierung von Joe Biden mit dem sogenannten Inflation Reduction Act die Spielregeln geändert: US-Behörden bestimmen künftig die Preise für Medikamente mit. Das verändert das Geschäftsmodell der Pharmafirmen, und sie prüfen, welche Therapien sie weiter entwickeln und welche nicht. Wird ein Medikament gestrichen, wird es auch in anderen Ländern nicht erhältlich werden.
«Roche ist von dem neuen Gesetz wohl am wenigsten betroffen», sagte die Pharma-Chefin des Basler Konzerns, Teresa Graham, auf der Halbjahres-Medienkonferenz. Auch mit dem neuen Gesetz können die Firmen die Preise zu Beginn frei festsetzen. Aber sie müssen bei chemisch hergestellten Medikamente dann nach neun Jahren mit den Behörden verhandeln. Für Biotech-Therapien, die von lebenden Zellen produziert werden, dürfen die Behörden dagegen nach dreizehn Jahren mitreden. Dies ist ein Vorteil für Roche, weil mehr als die Hälfte seiner Therapien zu diesem Gebiet zählen.
Krankheiten werden anders gewichtet
Bei seinen chemisch produzierten Medikamenten und Projekten geht Roche nun über die Bücher. «Wir könnten die Zulassung für bestimmte Krankheiten nun anders priorisieren», sagte Graham. Vor allem Krebsmedikamente werden nach und nach auf ihre Wirkung bei verschiedenen Krebsarten getestet und dann zugelassen. Hier dürfte Roche künftig die Krebsart als Erstes zur Zulassung bringen, von der die meisten Patienten betroffen sind. Bislang ist es oft diejenige mit der kleinsten Patientengruppe, weil es für sie meist noch gar keine Therapien gibt. Zudem benötigen die klinischen Versuche weniger Teilnehmende, dauern meist nicht so lange und sind deswegen günstiger.
Roches Halbjahresergebnis fiel durchwachsen aus: Der Konzern verbuchte einen Umsatzrückgang von 8 Prozent auf 29,8 Milliarden Dollar. Der starke Schweizer Franken, aber auch das weggefallene Geschäft mit Corona-Tests der Diagnostiksparte wirkten sich negativ aus. Das Pharmageschäft selbst lief mit einem Plus von 8 Prozent jedoch gut. Roches Gewinn sackte dagegen um 17 Prozent auf 7,6 Milliarden Franken, Grund waren Sondereinnahmen im Vorjahr aus der Einigung bei einem Patentstreit mit AstraZeneca.
Novartis stoppt Forschungsprojekte
Von der neuen Regulierung in den USA ist Roches Basler Konkurrent Novartis stärker betroffen. Wie andere Firmen der Branche hat er einige Forschungsprojekte auch aus diesem Grund gestoppt. Denn unter den neuen US-Preisbedingungen lohnen sie sich nicht mehr.
Für die schon lancierten Produkte von Novartis werden die USA auf lange Sicht weniger profitabel: Novartis neuer Cholesterinsenker Leqvio kam 2021 auf den US-Markt und dürfte als chemisch hergestelltes Medikament eingestuft werden. Es basiert auf der RNA-Interferenz-Technologie, die krankheitsauslösende Gene stillstellt. Das Herzmedikament Entresto, mit dem Novartis Milliarden umsetzt, dürfte zudem zu den ersten Medikamenten gehören, deren Preise verhandelt werden müssen.
Novartis-Chef Vas Narasimhan ist seit Anfang des Jahres Präsident der US-Pharmalobby PhRMA und kämpft dort an vorderster Front gegen eine harte Umsetzung des neuen Gesetzes.
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