«Meine Kunst lebt im Kreislauf der Natur»
Zehn Monate war der Wanderer Ivo Moosberger in der Schweiz unterwegs – immer zu Fuss. Nun zeigt er Bilder seiner zahlreichen Naturschauspiele.

Seit seiner Kindheit trägt Ivo Moosberger den Wunsch in sich, mit einfachsten Mitteln unterwegs zu sein. In seinem Schweizprojekt stand genau dies im Mittelpunkt. Das Abenteuer begann vor der eigenen Haustür und im Rucksack war nur das Nötigste: Schlafsack, Zelt, ein paar Kleidungsstücke und rudimentäre Kochutensilien. Zehn Monate war der Wanderer unterwegs, alleine und immer zu Fuss. Auf abgelegenen Landstrichen entwickelte er sich zum Überlebens- und Land-Art-Künstler.In seiner Live-Reportage «Naturschauspiele» erzählt nun Ivo Moosberger von seinem Abenteuer und zeigt Bilder der vielfältigen Naturkunstwerke, die auf dieser Reise entstanden sind.
Was sind Sie eher, ein Wanderer oder ein Künstler?
Ivo Moosberger: Ohne das eine geht das andere nicht. Um an meine oft abgelegenen Arbeitsplätze zu gelangen, muss ich ein Wanderer sein.
Gäbe es den Künstler ohne das Wandern?
Ja vielleicht, aber dann in einer anderen Form. Beim Wandern ist man Beobachter, man sammelt Eindrücke und hat Zeit, diese zu verarbeiten. Sie dienen später als Inspirationsquelle beim Umsetzen der Naturkunst.
Gibt es zwischen Wandern und Kunstschaffen Parallelen?
Wandern ist die ursprünglichste Art des Unterwegsseins. Mehr reduzieren kann man nicht. Auch Naturkunst gibt es seit eh und je und besteht oft aus den einfachsten Urformen. Wanderer und Naturkünstler sind beides Beobachter, sie sind stark mit der Natur verbunden. Der Wanderer verehrt die Natur, indem er sie erwandert, der Land-Art-Künstler, indem er sie mit seiner Kunst schmückt.
Nun verbinden Sie beides: Sie wandern, halten inne und erschaffen ein Kunstwerk. Ist Letzteres überall möglich oder gibt es besondere Gegebenheiten, die Sie inspirieren?
Man braucht sich von den gesellschaftlichen Zwängen zu lösen. Oft passiert dies an Orten, die weit weg von jeglicher Zivilisation liegen. Ich suche nach Formen, Farben und Mustern in der Natur. Oft sind es die kargen Gebiete, wo man mit einfachen Mitteln einen Akzent setzen kann.
In Ihrem Buch «Naturschauspiele» schreiben Sie, es handle sich bei Ihrem Tun um eine Annäherung an die Vergänglichkeit. Können Sie das genauer erklären?
Die Natur spricht eine klare Sprache. Ein leichter Windstoss, ein heftiges Gewitter, die Schwerkraft oder der natürliche Zerfall machen meine Kunst vergänglich. Wenn ein Steinbogen bei einem heftigen Gewitter wieder in sich zusammenfällt, empfinde ich dies als bereichernd. Für mich ist dann der Kreis wieder geschlossen.
Ihre Kunstwerke sind allesamt vergänglich. Sie halten diese zwar fotografisch fest, aber aus der Natur entschwinden sie früher oder später. Reut es Sie nicht, dass Ihre Gebilde nicht für die Nachwelt erhalten bleiben?
Keineswegs, das ist ja der Reiz an der Naturkunst. Sie verstaubt nirgends in einer Galerie, sondern lebt im Kreislauf der Natur. Ja, und glücklicherweise gibts da noch die fotografische Dokumentation. So halte ich, trotz Vergänglichkeit, den Augenblick fest. Dadurch ist es mir möglich, meine Arbeit einem breiten Publikum zu präsentieren.
Die meisten Ihrer «Schauspiele» sind poetischer Natur, oftmals der Natur selbst abgeschaut. Nur selten lassen Sie sich von Witz oder Ironie leiten, zum Beispiel mit einem Fussgängerstreifen aus gelben Blättern mitten im Wald. Damit durchbrechen Sie die Beschaulichkeit, holen eine Alltagsrealität in eine Welt, die dem Alltag fernab ist. Warum tun Sie das nicht öfter?
Gerne würde ich dies öfters tun. Doch ist es eine grosse Kunst, etwas Alltägliches auf neue, überraschende Art zu zeigen. Es sind ja nur gelbe Blätter, die in Streifen ausgelegt wurden – trotzdem funktionierts und jeder erkennt darin den Zebrastreifen. Es ist so simpel, dennoch kommt man nicht einfach so auf die Idee.
Angenommen, ein einsamer Wanderer zieht an einem Ihrer Werke vorbei, lässt sich davon inspirieren und verändert es: Welche Gefühle würde das bei Ihnen auslösen?
Das gehört dazu – damit habe ich kein Problem. Während meiner Arbeit werde ich jedoch oft belächelt oder die Leute schütteln verständnislos den Kopf, da sie den Sinn, den sie in meiner Arbeit suchen, nicht finden.
Für Ihre Kunstwerke verwenden Sie ausschliesslich Dinge, die in der Natur zu finden sind. Vermeintlich Unscheinbares, wie Federn, Blätter oder Steine, wird dadurch in den Mittelpunkt gerückt und gewinnt unter dem neuen Blickwinkel an Wert. Ist dieser Ansatz auch Teil Ihrer Lebensphilosophie?
Absolut, man braucht nicht in die Ferne zu schweifen. Das Abenteuer beginnt gleich vor der eigenen Haustür. Und die grössten Schätze sind anfangs oft unscheinbar. Also warum um die halbe Welt fliegen, wenn man hier mit etwas Zeit und Musse und mit offenen Augen jede Menge entdecken kann?
Wohin führt Sie die Zukunft? Werden Sie weiter wandern und planen Sie weitere Naturschauspiele?
Nun, mit meiner jungen Familie wurde mein Wirkungskreis nochmals kleiner, aber nicht weniger spannend. Mit Kindern ändert man nochmals seine Perspektive. Im Rucksack sind nun nicht nur Zelt und Schlafsack mit dabei, sondern neu auch Nuggi, Windeln und Milchschoppen . . .
«Naturschauspiele» In Zürich: Donnerstag, 19. Januar, 19.30 Uhr und Sonntag, 29. Januar, 16 Uhr im Volkshaus. In Jona: Samstag, 21. Januar, 19.30 Uhr im Kreuz. Tickets: www.explora.ch.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch