Das frühe Saisonende drohtO ZSC, wie konnte es so weit kommen?
Wie die Zürcher die beiden ersten Spiele im Playoff-Viertelfinal gegen Biel verloren – und was sie nun tun können, um das Debakel noch zu verhindern.
2:0 führt der EHC Biel im Best-of-7 gegen den Favoriten aus Zürich, am Freitag liess er auf den 5:4-Auswärtssieg einen 4:3-Overtime-Heimerfolg trotz 0:3-Rückstand folgen. Wie konnte es so weit kommen für die ZSC Lions? Was zeichnete Biel aus? Und was können die Zürcher noch tun, um nicht schnellstmöglich aus dem Playoff zu fallen? Blicken wir vor Spiel 3 am Sonntagabend im Hallenstadion (es könnte das allerletzte ZSC-Spiel in der Kultarena sein!) also zurück – und nach vorne.
Früher, ganz, ganz früher …
O.k., es ist bloss drei Tage her. Aber es tönt nach Spiel 2 wie eine Überlieferung aus einer fernen Zeit, als noch Mammuts auf der Erde grasten. Romantiker unter den ZSC-Fans erinnern sich vielleicht noch: Die Serie begann für die Zürcher formidabel. Sie führten in Spiel 1 nach dem Startdrittel nicht nur 1:0, nein, sie flogen richtiggehend übers Eis. Sie spielten eine ihrer Stärken aus, die beim EHC Biel im Vorfeld der Serie am meisten für Respekt sorgte: Mit ihren flinken und spielintelligenten Stürmern können die Lions richtig gutes und effizientes Forechecking betreiben. Das sah dann zum Beispiel so aus, es war gar nicht vorteilhaft aus Bieler Sicht:
Doch dann kam im Mitteldrittel Maxim Noreaus Fehler im Powerplay, dann noch einer im 1-gegen-1 mit Biels Mike Künzle, dieser traf, es stand plötzlich 1:1, und das war es eigentlich schon. Der ZSC kam komplett vom Weg ab, es folgten weitere üble Aussetzer, ein effizientes Zürcher Forechecking war kein Thema mehr. Biel siegte in einem beidseits fehlerhaften Spiel 5:4.
Spiel 2? Zu dieser Wucht bei der Störarbeit fand der ZSC nicht mehr zurück. Diese Szene hier war eine Ausnahme, eine Art Hommage an gute alte (kurze) Zeiten:
Änderte der EHC Biel diesbezüglich seine Taktik? Nicht wirklich. Aber er versuchte, den flinken Denis Malgin, den häufigsten Ursprung von erfolgreichem Zürcher Forechecking, schon in der Mittelzone abzufangen. Oder, weil das gar nicht so einfach ist, ihn zumindest besser zu stören. Das klappte häufig ganz gut:
Erstes Fazit: Will der ZSC in die Serie zurückkehren, muss er eine Zeitreise begehen und ans Startdrittel von Spiel 1 anknüpfen. Und es braucht viel, viel häufiger auch andere ZSC-Stürmer als Malgin, die zum Angriff blasen. Aber trotz Löwenjammer nach der bitteren Niederlage: Alles war nicht schlecht, was die Zürcher in Biel zeigten. Es war besser als die Drittel 2 und 3 in Spiel 1, es fehlte nicht viel zum Ausgleich in der Serie.
Wo sind sie, die schnellen Zürcher Konter?
Es ist ein ZSC-Dauerthema. Die Lions setzen vermehrt aufs Forechecking und lange Druckphasen in der gegnerischen Zone. Das klappt häufig gut, auch die Analytics zeigen, dass der ZSC in der Qualifikation in diesen beiden Kategorien gut war. Bloss: Belohnt haben sich die Zürcher zu selten damit.
Schnelle Gegenstösse? Da ist der ZSC bloss biederer Ligadurchschnitt, die Scheibenkontrolle ist im Aufbau fast schon Dogma. Wie selten und darum auch erfrischend ist darum dieser Zürcher Angriff aus Spiel 2:
Zugegeben, das hier ist ein einstudierter («Trick»-)Spielzug, der die eigene Bank auf der Seite des gegnerischen Tores bedingt und darum nur im Mitteldrittel funktioniert: Ein Stürmer wechselt sich bei der Mittellinie aus, ein anderer kommt für ihn fliegend tief rein (hier Denis Hollenstein) und wird per langem Pass angespielt.
Dennoch: Warum setz(t)en die Lions nicht grundsätzlich häufiger auf schnelles Konterspiel? Es würde den ZSC unberechenbarer machen, die flinken Stürmer dazu hätten sie. Irgendwas (Neues) sollte doch nun bei einem 0:2-Rückstand in der Serie probiert werden.
Jere Sallinen, Unsung Hero
Wir können hier natürlich nicht bloss die ZSC Lions tadeln und den Gegner ausblenden. Und wir sollten vor allem nicht Biels Center Jere Sallinen verschweigen. Seine Flügel Toni Rajala (2 Tore/2 Assists) und Luca Hischier (1 Tor/2 Assists) prägten diese Serie bislang offensiv. Der Spieler, der den beiden Raum verschafft und sie tanzen lässt, ist aber der 31-jährige Finne.
Sallinen rackert ohne Puck:
Sallinen rackert mit Puck:
Und Sallinens Rolle als Mittelstürmer ist eine Story für sich. Er ist Flügelstürmer ohne grosse Erfahrung auf der Center-Position und mag es nicht besonders, dort spielen zu müssen. Auch, weil das Bullyspiel ihm fremd ist und er beim Anspielpunkt gegen die ZSC-Spezialisten Marcus Krüger und Justin Azevedo Mal für Mal die Hosen herunterlassen muss. Sallinens bisherige Bullybilanz ist grausam: 25,5 Prozent (12 von 47 gewonnen). Krüger mit 66,7 (22 von 33) und vor allem Azevedo mit 78,6 Prozent (22 von 28) glänzen hingegen mit Fabelzahlen.
Doch weil Sallinen als Center von Biels Cheftrainer Antti Törmänen viel Verantwortung in allen Spielsituationen erhält, nimmt der Stürmer diese Rolle nicht nur, ohne zu murren, an, sondern blüht dabei richtig auf.
Und die ZSC-Imports?
ZSC - Biel ist die Serie zwischen den beiden einzigen NL-Teams, die wegen Pius Suter (ZSC) und Janis Moser (Biel) fünf statt vier Ausländer einsetzen dürfen – der diese Saison letztmals angewandten «NHL-Abgang-Regel» wegen. Auch mit fünf Importplätzen in der Aufstellung hat ZSC-Cheftrainer Rikard Grönborg die Qual der Wahl, muss er jeweils zwei zuschauen lassen. Was ändert er nun für Spiel 3?
Lässt er alles gleich? Kaum. Und welcher Stürmer rückt dann neu ins Line-up? John Quenneville oder Garrett Roe? Gar beide? Wer würde dann zuschauen müssen? Center Krüger ist gesetzt. Gilt das aber auch immer noch für Justin Azevedo? Offensiv kommt vom Kanadier im Playoff bislang zu wenig. Nimmt Grönborg einen seiner ausländischen Verteidiger raus? Noreau spielt fehleranfällig, ist aber im Powerplay wichtig.
Trifft es dann Tommi Kivistö? Zugegeben, der Finne sah beim Overtime-Siegestor Biels nicht gut aus, auch verlor er die Übersicht:
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Aber dem defensiv bislang nicht immer sattelfesten ZSC schaden Verteidiger, die auch solch unspektakuläre Dinge tun wie Kivistö, eben auch nicht – im Gegenteil:
Oder überrascht Grönborg gar, nimmt den tschechischen Goalie Kovar raus und bringt im Tor den seit 13 Tagen nicht mehr eingesetzten Schweizer Ersatzgoalie Ludovic Waeber? Dann könnte er fünf ausländische Feldspieler aufstellen. Der Schwede braucht nun so oder so ein gutes Händchen.
Wollen Sie einen (wahrscheinlich falschen) Tipp sehen? Hier ist er: Die Lions spielen mit Kovar, Kivistö, Krüger, Azevedo, Quenneville.
Zu guter Letzt: Das Glück
Natürlich braucht es auch das. Der EHC Biel kämpfte sich in Spiel 2 wunderbar von einem 0:3-Rückstand ins Spiel zurück. Er profitierte in der Schlussphase aber auch vom Wettkampfglück. Erst ein einziges Mal hatte Biel in der ganzen Saison ein Spiel in der Schlussminute ohne Goalie, mit 6 gegen 5 Feldspielern ausgeglichen. Gegen den ZSC gelang dies nun ein zweites Mal: Dies mit einem Schuss Fabio Hofers, der irgendwo weit in die Spielfeldecke geflogen wäre, hätte ZSC-Goalie Jakub Kovar den Puck nicht ungewollt ins eigene Tor gelenkt.
Auch das Siegtor in der Overtime fiel unter besonderen Umständen. Nicht nur traf ZSC-Stürmer Simon Bodenmann neun Sekunden zuvor (!) den Pfosten, er wurde am Versuch des Nachschusses von Biels Verteidiger Noah Schneeberger per ungeahndetem Beinstellen gehindert:
Auch das ist Playoff: Beide (Fan-)Lager können sich über etwas ärgern. In Zürich ist es dieses Tor. Und in Biel herrscht wohl kaum Verständnis, dass das Foul von ZSC-Verteidiger Christian Marti bei Biels 3:3-Ausgleich nachträglich «nur» mit einer Spieldauerdisziplinar- und nicht einer Matchstrafe sanktioniert wurde …
Ach ja, fast vergessen …
Beenden wir all die Gedankengänge mit diesem hier: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass am Sonntag bei Biel die bislang ausgefallenen hochbegabten Künstler im Sturm in die Serie eingreifen: Damien Brunner und Luca Cunti. Sähe dann der ZSC gegen einen spielerisch deutlich verbesserten EHC Biel (noch) schlechter aus? Oder würde bei Biel ein Teil des bislang so wichtigen kämpferischen Elementes zu sehr dem zauberhaften weichen? Die Antwort gibt es ab Sonntag, 20 Uhr.
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