Die USA und der Nahost-KonfliktMike Pompeo wirbt für seine «Friedensvision»
Der US-Aussenminister drängt in Israel auf die Umsetzung von Trumps Nahostplan.
Für den Gast aus Amerika wurde eine Ausnahme gemacht: Normalerweise müssen alle Passagiere, die auf dem Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv ankommen, für zwei Wochen in Quarantäne. US-Aussenminister Mike Pompeo hatte aber am Mittwoch nur wenige Stunden für seinen Stippvisite in Israel angesetzt. Eine Gesichtsmaske im Design einer US-Flagge trug Pompeo nur beim Aussteigen aus dem Flugzeug. Seine Gesprächspartner begrüsste er ohne Maske. Pompeo und Ministerpräsident Benjamin Netanyahu dürften dann den Sicherheitsabstand von zwei Metern auch nicht eingehalten haben.
Deutlich mehr Distanz gab es bei Pompeos Zusammentreffen mit Benny Gantz und Gabi Ashkenazi. Die beiden sollen in der neuen Regierung, deren Vereidigung an diesem Donnerstag geplant ist, das Verteidigungs- und das Aussenministerium leiten. Eine weitere Besprechung gab es mit Mossad-Chef Yossi Cohen.
Die US-Regierung schielt auf den Wahlkampf zu Hause
Vor Beginn der dreistündigen Unterredung mit Netanyahu drängte Pompeo auf die Umsetzung des Nahostplans. Der US-Präsident habe seine «Friedensvision» im Januar veröffentlicht, «es muss noch Arbeit verrichtet werden, und wir müssen in der Frage Fortschritte machen». Trump erhofft sich durch die Unterstützung Israels Sympathien bei jüdischen und evangelikalen Wählern bei der Präsidentschaftswahl im November.
Vor seinem Abflug Richtung Israel hatte Pompeo erklärt, die Umsetzung der Annexion sei «letztlich eine israelische Entscheidung». Der Plan beinhaltet die Annexion von Teilen des Westjordanlandes durch Israel – rund 30 Prozent des bisherigen Gebiets. Auf der restlichen Fläche soll ein Staat entstehen können, wenn die Palästinenser eine Reihe von Bedingungen erfüllen.
Lob für Israel, Tadel für China
Netanyahu bezeichnete die bevorstehende Bildung einer Einheitsregierung als «Möglichkeit, Frieden und Sicherheit zu fördern», basierend auf der Übereinkunft, die er im Januar mit Trump getroffen habe. Er nannte «den iranischen Terrormeister» und die Bekämpfung des Coronavirus als weitere gemeinsame Herausforderungen. Pompeo lobte, dass Israel Informationen teile, «nicht wie ein anderes Land, das sie versteckt» – ein Seitenhieb auf China. Auch bei Pompeos Gesprächen mit Gantz ging es vor allem um die Bekämpfung des Coronavirus sowie die Lage im Iran. Ob die Annexion ein Thema war, ging aus der schriftlichen Erklärung nicht hervor.
In der Koalitionsvereinbarung wurde fixiert, dass Netanyahu von Juli an Schritte setzen kann, die zur Ausdehnung der israelischen Souveränität auf die rund 200 Siedlungen und das Jordantal im Westjordanland führen können. Gantz hat bei diesem Punkt auf Vetomöglichkeiten verzichtet.
Die Palästinenser wurden ignoriert
Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat sagte, Pompeo habe vor seinem Israel-Besuch keinen Kontakt mit den Palästinensern gesucht. «Die Trump-Regierung kollaboriert bei den Annexionsplänen mit Israel», sagte Erekat. Die Palästinenser hoffen auf Sanktionen der EU, um die Annexion zu verhindern. Einzelne EU-Staaten sollen damit gedroht haben, Israel von der weiteren Teilnahme am EU-Förderprogramm Horizon auszuschliessen. Seit 2014 wurden Forschungsvorhaben in Israel mit 1,3 Milliarden Euro gefördert. Der palästinensische Ministerpräsident Mohammad Shtayyeh forderte die EU in einem Gespräch mit dem Aussenbeauftragten Josep Borrell auf, ihr wirtschaftliches und politisches Gewicht einzubringen.
Der Protest eint immerhin die verfeindeten palästinensischen Gruppierungen. Präsident Mahmoud Abbas lud Vertreter der radikalislamischen Hamas und des Islamischen Jihad, der zweitgrössten Gruppe im Gazastreifen, zu einem Treffen der PLO für Donnerstag ein. Es sollen gemeinsam Massnahmen diskutiert werden, falls Israel die Annexionspläne tatsächlich umsetzt. In den vergangenen Tagen war es zu Zusammenstössen zwischen Palästinensern und der israelischen Armee gekommen. Ein Soldat und ein 15-jähriger Palästinenser wurden dabei getötet.
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