Klimakiller MethanKlimafreundlich? Import-Erdgas ist schädlicher als Kohle
Amerikanisches Erdgas hilft Europa aus der Energiekrise. Es belastet das Klima allerdings weit mehr als angenommen, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Der Export von Erdgas ist für spezialisierte US-Konzerne wie Cheniere ein goldenes Geschäft geworden. Die Preise in Europa sind fünf- bis sechsmal höher als in den USA. Sie werden zusätzlich angetrieben durch das nach der Ukraine-Invasion verhängte Embargo gegen Russland. Mit kräftiger Hilfe der Regierung Biden, die ihre frühere Kritik an der Branche zu vergessen haben scheint, machen die Erdöl- und Gasfirmen mit der Krise enorme Profite.
Den Preis dafür zahlen allerdings nicht nur die Haushalte in Europa in Form stark gestiegener Energiepreise. Zusätzlich beschädigt wird auch das Klima, wie eine erste umfassende Studie zum Export von verflüssigtem Erdgas (LNG) zeigt. Robert Howarth, Professor der Umweltwissenschaften an der Cornell-Universität, widerspricht sogar einem klimapolitischen Hauptargument für den Export von LNG, wonach Erdgas das Klima weniger belastet als Kohle.
Seine Hauptaussage: Verflüssigtes Erdgas ist punkto Klimabilanz um 24 Prozent schlechter als Kohle. Im schlimmsten Fall erreicht die Zusatzbelastung 274 Prozent. Zwar stimmt, dass Kohle weit dreckiger ist als Erdgas, wenn die Emissionen bei der Verbrennung verglichen werden. Indessen ist diese Sicht unvollständig, schreibt der Cornell-Experte, wenn die gesamte Produktions- und Transportkette von LNG betrachtet wird.
Es könnte noch schlimmer sein
Methan, Hauptbestandteil von Erdgas, ist ein über 80-mal schädlicherer Klimakiller als CO₂. Da beim Transport von LNG in den kugelförmigen Containern auf Frachtschiffen permanent Methan wegen der Aussenhitze wieder gasförmig wird, muss es abgesaugt werden. Alte Frachtschiffe müssen das Gas in die Atmosphäre entlassen. Nur neuere Frachter können es zum Antrieb weiter nutzen.
LNG verbraucht gemäss der Studie jedoch auch bei der Verflüssigung in den USA und bei der Rückführung zu einem Gas in Übersee zusätzliche klimaschädliche fossile Energie. Was in der Klimabilanz zudem völlig fehlt, ist der massive Verlust von Methan, wenn die Reserven in den USA gefrackt, das heisst ausgesprengt, und nicht vollständig erfasst werden können.
Wenn diese Gesamtbilanz erstellt wird, so schneidet Erdgas im günstigsten Fall – Transport nach Grossbritannien mit modernsten Frachtern – um 24 Prozent schlechter ab. Im schlechtesten Fall eines Transports mit alten Frachtern nach China ist die Klimabilanz um 274 Prozent schlechter. Aus diesem Vergleich zieht der Umweltexperte Howarth den frappanten Schluss, dass es sinnvoller wäre, in Europa vorübergehend wieder Kohlekraftwerke in Betrieb zu nehmen, statt LNG zu importieren.
«In vielerlei Hinsicht könnte meine Analyse zu konservativ sein und die Emissionen der globalen Tankerflotte im Durchschnitt unterschätzen», schreibt er, «da ich mich auf Daten verlasse, die von Unternehmen und Schiffen stammen, die Forschern Zugang gewährt haben.» Diese hätten wahrscheinlich bessere Betriebsabläufe und niedrigere Emissionen als der Durchschnitt.
«Das würde das Ende für einen lebenswerten Planeten bedeuten.»
Im Wahlkampf 2020 hatte Präsident Joe Biden eine harte Attacke auf die Branche geritten und sie 2022 angesichts rekordhoher Profite als «Kriegsgewinnler» kritisiert. Doch wenn es darauf ankommt, gehen die Regierung und die Öl- und Erdgasindustrie Hand in Hand. Biden hat den LNG-Export seit Anbeginn vorbehaltlos gefördert. Er bewilligte ein Projekt von 39 Milliarden Dollar für den Export von Erdgas aus Alaska, er winkte eine Gas-Pipeline im Nordwesten des Landes durch und förderte den Ausbau von LNG-Terminals, von wo aus Grossbritannien, Frankreich und die Niederlande versorgt werden. Das alles sei nötig, so Biden, um «unseren europäischen Freunden» mehr Energiesicherheit zu bringen.
Der Export von verflüssigtem Erdgas ist für die USA relativ neu. Die ersten Lieferungen verliessen die Anlagen an der Golfküste erst 2016. Doch die Branche ist schnell gewachsen, und die USA sind nun der grösste Exporteur von Erdgas weltweit. In Europa haben die USA die Rolle von Russland vollständig besetzt und decken über 50 Prozent des Bedarfs ab.
Ein Zurück gibt es aus amerikanischer Sicht offenbar nicht mehr. Zusätzlich zu den sieben Exportterminals sind mindestens zwanzig weitere geplant. Wenn alle gebaut werden, sind sie laut Jeremy Symons, Klimapolitikberater des US-Umweltministeriums, jährlich für zusätzliche 3,2 Milliarden Tonnen CO₂ verantwortlich. Das entspricht nahezu den gesamten jährlichen Emissionen der Europäischen Union. «Das ist eine unglaubliche Verschmutzung, und es würde das Ende für einen lebenswerten Planeten bedeuten», sagte Symons kürzlich dem «Guardian».
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