Comeback nach Tor-SchockDer EHC Kloten überwindet seinen Ärger und weckt die Hoffnung
Die Unterländer schienen nach dem umstrittenen Tor und dem 0:3 in der Playoff-Serie gegen Meister ZSC am Boden. Doch sie standen wieder auf. Wiederholt Trainer Marjamäki das Wunder von 2012?

Plötzlich kam am späten Mittwochabend am Schluefweg noch einmal Hektik auf. Eine Betreuerin eilte herbei: «Der ZSC hat kein Besteck!» Als Heimteam obliegt es dem EHC Kloten, dem Gast das Essen bereitzustellen – was auch klappte. Doch Messer und Gabel wurden vergessen. Eine Szene, die treffend zum Spiel passte: Dem ZSC fehlten nicht nur Messer und Gabel, sondern auch der nötige Biss. Kloten verkürzte die Serie auf 1:3. Damit muss der Meister am Freitag in der Swiss-Life-Arena noch einmal ran.
Klotens Dario Meyer entschied die Partie dreieinhalb Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit zugunsten seines Teams. Der Treffer fiel in Überzahl – jener Disziplin, mit der sich die Zürcher Unterländer die ganze Saison über schwertun. Während der Regular Season lag ihre Erfolgsquote bei lediglich 15,9 Prozent – der schlechteste Wert aller 14 Teams. «Das tut gut», freute sich Meyer. «Wieder haben wir Chancen liegen lassen, aber langsam finden wir Lösungen und erkennen, was funktionieren könnte.»
Bitter für den ZSC-Verteidiger Santtu Kinnunen: Der 25-Jährige traf in seinem ersten Playoff-Einsatz zum 1:1, handelte sich jedoch zur Unzeit eine Strafe ein, die Kloten zum Sieg verhalf. Dennoch blieben die Stadtzürcher gelassen. «Auch Spiel 3 war hart umkämpft, und in Spiel 2 stand es lange 0:0», erklärte Yannick Zehnder. «Jetzt müssen wir vor dem gegnerischen Gehäuse wieder härter nachsetzen, dann werden auch die Tore fallen.»
Es ist beeindruckend, wie Kloten immer wieder Wege findet und nie aufgibt. Vor der Saison hatte kaum jemand Erwartungen an das Team von Lauri Marjamäki – viele sahen es dort, wo nun der ambitionierte und finanzstarke HC Lugano steht: im Playout-Final. Doch wann immer der EHC ins Straucheln geriet, fand er zurück – auch im Playoff.
Das umstrittene Tor, das dem ZSC am Montag den dritten Sieg bescherte und den Eishockey-Verband SIHF zu einer höchst abenteuerlichen Stellungnahme veranlasste («Zwei Schiedsrichter ausserhalb/an der Zone sahen jedoch, dass der Spieler der ZSC Lions durch einen verteidigenden Spieler von Kloten ins Tor befördert wurde. Zusätzlich stellten sie fest, dass der Puck die Torlinie überquerte.»), schien der endgültige Todesstoss gewesen zu sein. «Wie willst du so etwas erklären?», fragte Captain Steve Kellenberger rhetorisch. «Ich wusste gar nicht, was los war. Ich sah die Geste von Schiedsrichter Hürlimann, die für mich auf Torraum-Offside hindeutete, und fragte mich, warum die Schiedsrichter danach überhaupt noch diskutierten. Dann fuhr ich vor dem Video-Review zu ihnen, und mir wurde an den Kopf geworfen: ‹On Ice haben wir ein gutes Tor.›»
Auf Nachfrage wurde Kellenberger mitgeteilt, dass die Mehrheit der Unparteiischen es so gesehen habe. «Dann habe ich entgegnet: ‹Also jene, die am weitesten entfernt standen?›» Das Video sah sich das Klotener Urgestein später nicht noch einmal an. «Ich hätte mich nur geärgert», räumt der 38-Jährige ein. «Doch ärgern können wir uns Ende Saison. Im Moment hilft es nichts, auch wenn wir nach dem Spiel einen Moment brauchten, um das zu realisieren.»
Marjamäki weiss, wie ein 0:3 zu drehen ist
Auch der Siegesschütze Dario Meyer versuchte die Szene schnell abzuhaken. «Wenn du in über zwei Spielen kein Tor schiesst, solltest du nicht nach Ausreden suchen», so der Stürmer. «Wir hatten noch zwölf Minuten zur Korrektur, doch wieder haben wir nicht getroffen. Darauf muss der Fokus liegen.» Bis zu Tyler Morleys 1:0 in Spiel 4 vergingen tatsächlich 170 Minuten und 59 Sekunden ohne Tor, also beinahe drei Partien. Doch mit dem Rücken zur Wand lieferte Kloten das beste Spiel der Serie ab.
«Das zeigt den Charakter dieser Mannschaft», sagt Meyer. «Wir haben einen enormen Zusammenhalt. Nicht zum ersten Mal haben wir dreimal in Folge verloren, aber wir sind immer wieder zurückgekommen. Jetzt spüren wir dieses Vertrauen.»
Wenn einer weiss, wie man ein 0:3 dreht, dann Marjamäki. 2012 gelang ihm das Kunststück in seiner Heimat Finnland. Die Parallelen zu Kloten sind verblüffend. Auch sein Team Espoo war im Viertelfinal gegen KalPa der Aussenseiter und erzielte in den ersten drei Partien ebenfalls nur ein einziges Tor, bevor es anschliessend viermal in Folge gewann. «Wir haben einen Sieg geholt, nun wollen wir den nächsten», sagt Meyer kämpferisch.
Am Mittwoch fehlte beim ZSC Meistergoalie Simon Hrubec krankheitsbedingt. Ob er am Freitag spielen wird oder nicht, ist für Kloten irrelevant. «Wir haben gegen ihn schon genügend Tore erzielt», gibt sich Meyer selbstbewusst. «Wenn wir Chancen kreieren und die Spieler vor dem Tor richtig positionieren, wird auch Hrubec Schwierigkeiten haben.»
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Kloten hat Blut geleckt. «Die Ausgangslage bleibt dieselbe», sagt Kellenberger. «Wenn wir verlieren, ist die Saison vorbei. Aber wir wollen weiterspielen. Solange wir dabei sind, geben wir alles.»
Der ZSC ist jedenfalls gewarnt.

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