Rundungen in der ArchitekturEin Kinderparadies aus Holz
Ein Kindergarten in Ittigen bei Bern kombiniert die geometrische Strenge eines Holzbaus gekonnt mit runden Elementen. Dafür wurde das Gebäude ausgezeichnet.

Rundungen sind in der Baukunst so eine Sache. Zwar hat die organische Architektur seit Beginn des 20. Jahrhunderts bahnbrechende Bauten hervorgebracht. Dazu gehört zum Beispiel der Einsteinturm in Potsdam von 1922, dessen Mauern sich runden, als wären sie aus Ton geformt. Auch das skulptural geschwungene Goetheanum in Dornach – 1928 gebaut nach Plänen des Anthroposophen Rudolf Steiner – entwickelt aus den weichen Linien eine besondere Kraft.
Doch es gibt einen Grund, weshalb sich diese Formensprache nicht durchgesetzt hat gegen die funktionale Architektur, gegen die sie sich positionierte. Runde und organische Formen wirken oft manieriert und aufgesetzt, weil sie dem orthogonalen Raum widersprechen und die Nutzung einschränken. Entlang einer geschwungenen Wand kann man kein Büchergestell aufstellen.

In Ittigen bei Bern zeigen Büro B Architekten, dass Rundungen auch bei alltäglichen Bauten ihre Berechtigung haben, wenn sie mit Bedacht eingesetzt werden. Am Rande der Primarschule Rain bauten die Architekten einen Vierfach-Kindergarten, dessen rechtwinklige Form viel aus dem knappen Grundstück herausholt. Das Gebäude steht direkt am Sportfeld und lässt so auf der Vorderseite Platz für einen kleinen Garten. Die Fassade des Holzbaus ist mit Latten verkleidet – typisch für jenen Teil der Schweizer Baukultur, der die homogene Erscheinung zelebriert.
Ein Kindergarten, wie er im Buche steht und wie er landauf und landab gebaut wird, könnte man meinen. Doch sobald man den Hof betritt, um den das Gebäude organisiert ist, erlebt man eine kleine Überraschung.
Die Latten schwingen in Wellenlinien um die Waldföhre, die in der Mitte wächst. Die Rundung beginnt schon auf dem Asphaltboden, der als Rampe den Höhenunterschied zur Holzveranda überwindet. Und sie geht weiter bis zu den beiden Treppenläufen, die ins Obergeschoss führen. Hinunter gelangen die Kinder via eine Rutschbahn.

Jeder Holzbau bringt eine geometrische Strenge mit sich, da er auf vorgefertigten, rechteckigen Elementen basiert oder aus geradlinigen Balken konstruiert ist. Es ist paradox: Gerade das nachwachsende Baumaterial aus dem Wald führt in der Regel zu einer klar getakteten Baukunst, welche die naturnahe organische Architektur überwinden wollte.
Doch der Kindergarten in Ittigen verbindet den Rhythmus der Holzkonstruktion fliessend mit kindergerechter Formenlust. Dabei tappen die Architekten nicht in die Falle zu glauben, nur weil sie für Kinder bauten, müsste es nun lustig sein. Die Rundung ist nicht gesucht, sondern treffend: Auf wenigen Quadratmetern entsteht ein geschützter Ort, der grösser erscheint, als er ist, und alle vier Kindergärten erschliesst. Der Schweizer Holzbaupreis Prix Lignum kürte das Gebäude deshalb letztes Jahr mit einem regionalen Preis.

Die Lamellen wirken als Filterschicht zwischen dem Hof und der umlaufenden Veranda. So entsteht ein durchlässiger Raum, ein weiteres Grundthema in der Architektur. Die Terrassen bilden grosszügige Vorzonen zu den Klassenräumen, welche die Architekten dahinter rechtwinklig rational organisiert haben.
Die Ausstattung der Räume ist kindgemäss, aber nicht kindlich. Sie lädt zu vielfältigen Tätigkeiten und Formen der Aneignung ein: Die Fensterbänke werden als Tisch oder Sitzgelegenheit genutzt, die eingebauten Etagenmöbel sind Schlafnische, Ritterburg und Kletterturm.

Für Wärme sorgt das viele Holz, das die Räume allseitig prägt. Auch die Garderoben, die Regale und die übrigen Einbauten haben die Architekten mit dem Material konstruiert. Alle Oberflächen haben sie mit einem pigmentierten Öl behandelt, um sie einander anzugleichen. Chalet-Enge kommt dennoch keine auf, vor allem dank der raumhohen Fenster und verglasten Türen, die viel Licht in die Räume lassen.
Erstaunlich leicht schwingen die Türen auf, sodass auch kleine Kinder sie öffnen können. Überhaupt sind die Details sorgfältig entworfen und konstruiert, von den Türgriffen bis zum gerundeten Geländer aus Maschendraht auf der Veranda. Nur wer die Rundung auch konstruktiv beherrscht, sollte sie – ausnahmsweise – bauen.
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