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Italiens Cinque Stelle
Die Sterne fliegen auseinander

Suspendiert: Giuseppe Conte, der neue Chef der Partei, ist es nun schon nicht mehr. 
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Bei den Cinque Stelle, der grössten Partei im italienischen Parlament, fällt gerade alles spektakulär auseinander. Ein Zivilgericht in Neapel hat der Berufung von drei Aktivisten der früheren Protestbewegung recht gegeben und die neuen, erst im vergangenen August verabschiedeten Parteistatuten wegen «schwerer Mängel» ausser Kraft gesetzt. Damit verliert die Partei auch gleich ihre neue Spitze: Der «Capo politico», Italiens ehemaliger Premier Giuseppe Conte, ist suspendiert. Seine vier Vizes, die Chefs der thematischen Gruppen, das sogenannte Garantiekomitee – alles weg.

Diese Premiere in der Geschichte des Landes, schreibt «La Repubblica» in einem Kommentar, sei schon allerhand: «Die Bewegung, die in ihren Anfängen die Richter aufgefordert hatte, die alten Parteien hinzurichten, wacht an einem Februarmorgen auf und merkt, dass sie von einem Zivilgericht geköpft wurde.» Der «Corriere della Sera» schreibt von einer «Implosion der Sterne».

Das sind überdramatische Töne, doch sehr verwunderlich sind sie nicht. Bei ihrem Aufstieg hat die Bewegung des Komikers Beppe Grillo alle angegriffen, die sie zur vermaledeiwürdigen Elite zählte – auch die «giornaloni», die grossen Zeitungen, denen sie vorwarf, die Kaste der Mächtigen zu schützen, das angebliche System. Nun, da sie seit einigen Jahren das Land mitregieren, sind die Cinque Stelle selbst Teil des Establishments geworden. Viele ihrer unverhandelbar gewähnten Prinzipien und politischen Kämpfe haben sie dem Verbleib an der Macht geopfert.

Seit der Präsidentenwahl läuft die Selbstzerstörung

So ernten sie nun neben viel Kritik auch tonnenweise Häme von denen, die sich über Jahre hinweg ihre laut vorgetragene Moral auf den Piazze und in den Fernsehstudios anhören mussten. Von den 33 Prozent der italienischen Wählerinnen und Wählern, die ihnen bei den Parlamentswahlen 2018 ihre Stimmen gegeben hatten, würden das nun nur noch etwa 15 Prozent tun. Mehr als die Hälfte ist also desillusioniert, seit sie die Sterne in der Verantwortung gesehen hat, etwa auch als Bürgermeisterinnen von Rom und Turin.

Nach ihrer unglücklichen Rolle bei der Wahl des neuen und alten Staatspräsidenten vor eineinhalb Wochen im Parlament macht es den Anschein, als laufe die endgültige Selbstdemontage der Partei. Als Illustration lohnt sich ein Blick in die sozialen Medien, wo sich die verschiedenen Seelen der Bewegung mit einer Vehemenz befehden, dass am Ende wohl nur Sternenstaub übrig bleiben wird.

Rivale und Vorgänger: Italiens Aussenminister Luigi Di Maio war vor Conte auch mal «Capo politico» gewesen. 

Im Zentrum steht das Duell zwischen Giuseppe Conte und Luigi Di Maio, dem amtierenden Aussenminister Italiens und früheren «Capo politico» der Partei. Die beiden können es schon länger nicht mehr miteinander, da spielen auch persönliche Animositäten eine Rolle. Bei der Wiederwahl Sergio Mattarellas explodierte der Streit. Conte warf Di Maio vor, der habe seine Strategien hintertrieben.

Conte versuchte zunächst, die Niederlage vor Gericht wegzureden und wirkte dabei ungewohnt nervös, zumal für einen ehemaligen Premier. In einer Talkshow auf dem Sender La7 griff er die «giornaloni» an, die alles verzerrten – man hörte das Echo aus einer anderen Zeit. Seine Leadership, beteuerte Conte, der von Beruf Rechtsanwalt ist, sei politisch, nicht juristisch. Tatsächlich war er im vergangenen Sommer von 92 Prozent des parteiinternen Wahlgremiums zum Chef gewählt worden.

Es braucht nicht viel, und alles explodiert – wie eine Supernova.

Doch bei der Wahl gab es ein Problem, das die Kläger beanstanden: Es durften damals nur jene 114’000 Mitglieder an der Onlineabstimmung teilnehmen, die schon seit mehr als sechs Monaten im Register eingeschrieben waren. Ausgeschlossen waren demnach etwa 81’000, die neu dabei waren. Nun ist es sehr wahrscheinlich, dass auch von diesen 81’000 die meisten für Conte gestimmt hätten, weil er nun mal die grösste Hoffnung war. Conte sagte deshalb, man werde nun einfach noch einmal wählen lassen, diesmal alle 195’000, dann werde man schon sehen.

Doch Urteil ist Urteil. Und Conte ist nicht mehr deren Chef: Er kann also auch keine neue Abstimmung anberaumen. Die Macht kehrt zurück zu Beppe Grillo, dem Gründer, Guru und «Garanten» der Bewegung. Am Dienstag meldete sich Grillo in seinem Blog: «Urteile respektiert man», schrieb er da, was sich wie eine Massregelung Contes las. Er werde mit Conte reden. In der Zwischenzeit lädt er alle ein, sich in Stille zu üben und keine «abenteuerlichen Initiativen» zu ergreifen. «Die Lage, das können wir nicht abstreiten, ist sehr kompliziert.» Es braucht nicht mehr viel, und alles fliegt auseinander – wie eine Supernova.