Corona und die HotellerieDer Supertanker nimmt wieder Fahrt auf
Am Montag eröffnen die Restaurants im Bellevue Palace. Im Berner Luxushotel hofft man dezidiert auf Schweizer Kundschaft.

Während des Gesprächs klingelt bei Urs Bührer ein Mail rein: Ein besorgter Kunde, der einen Anlass im November gebucht hat, bittet um Lagebeurteilung. «Die Leute würden gerne zu uns kommen», sagt der General Manager des Bellevue Palace in Bern. Das Luxushotel, das der Eidgenossenschaft gehört, bleibt seit dem 21. März faktisch geschlossen. «Nur ganz wenige Stammgäste, die unbedingt unterkommen mussten, wohnten zeitweise bei uns», so der Direktor.
«Die Buchungen waren dermassen eingebrochen, dass wir den Betrieb praktisch auf null runterfahren mussten.» Urs Bührer, seit über 30 Jahren in der Branche und einst Chef im Kulm Arosa, kam sich mitten in der Stadt vor wie in der Saisonhotellerie: «Mit dem Unterschied, dass man in den Bergen die Öffnungszeiten steuern kann.»
Vor allem die Verluste im Eventgeschäft schmerzen den gebürtigen Schaffhauser: «Bei uns finden jährlich über 2000 Veranstaltungen statt. Dieses wichtige Standbein bricht vorerst weg.»
Blumen täuschen Alltag vor
Die Réceptionistinnen, die Anfragen beantworten, der Blumenschmuck in der Lobby oder die Hintergrundmusik täuschen über den momentanen Stillstand hinweg. «Wir mussten einen Supertanker in voller Fahrt stoppen», erinnert sich der Bellevue-Chef. Die Küchencrew machte nach der Schliessung umgehend Gemüse und Obst ein oder füllte die Tiefkühler, bevor auch die Köche in Kurzarbeit gingen.
Immerhin kehrt ab Montag wieder Leben im Bellevue ein: Das Restaurant Vue und die berühmte Terrasse mit Aussicht auf die Berner Alpen werden geöffnet. «Social Distancing und Hygienemassnahmen sind kein Problem», räumt Bührer ein, «wir haben zum Glück reichlich Platz und können in die angrenzenden Salons und in die Lobby ausweichen.» Ab 2. Juni wechselt das 107 Jahre alte Grandhotel beim Bundeshaus vom Status «Bellevue Light» definitiv zum Normalbetrieb.
Mit einem Ansturm rechnet der General Manager aber nicht: «Wir leben zu zwei Dritteln von ausländischen Gästen. Besonders Amerikaner und Asiaten werden nicht vor Ende Jahr zurückkommen.»

Schweizer Kundschaft kann die 125 Suiten und Zimmer nie füllen. Im Lockdown tauchte das Bellevue Palace trotz allem regelmässig am TV-Bildschirm auf: Die meisten Kommissionssitzungen des Parlaments vor der eben beendeten Sondersession fanden hier statt. «Wir sind doch auf eine gewisse Weise systemrelevant», freut sich Urs Bührer.
Er muss sich aber noch in Geduld üben, bis die Willkommensflaggen für ausländische Staatsgäste über dem Portal wieder gehisst werden können. Corona wird die hohe Politik und die Hotellerie noch lange beschäftigen.
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