Geldberater: Der Marktschrei(b)erBei Aryzta ist noch nicht alles in Butter
Fehlstart für Medmix | Pierer-Mobility-Papiere werden unterschätzt | Für Dufry-Aktien ist es noch zu früh | Roche mit üppiger Pipeline
Aryzta: Dosiert kaufen
Der Plan von Aryzta geht auf wie ein Hefeteig. Seit rund einem Jahr ist Urs Jordi zurück beim Spezialisten für tiefgekühlte Backwaren, und er hat für viel frischen Wind gesorgt. Heute ist Aryzta schlanker, effizienter und an der Börse doppelt so viel wert. In Zukunft beschränkt man sich auf die Regionen Europa und Asien, was sinnvoll ist: Backwaren sind ein lokales Geschäft. Doch noch ist nicht alles in Butter, finde ich. Die hohe Verschuldung muss weiter runter, damit Aryzta bei Investoren wieder als «normales» Unternehmen wahrgenommen wird. Und die Pandemie wird im Ende Juli zu Ende gegangenen Geschäftsjahr ihre Bremsspuren hinterlassen haben. Schliesslich müssen auch höhere Preise verdaut werden: Molkereiprodukte, Mehl und Verpackungen sind teurer geworden. Zu all diesen Themen wird der Verwaltungsratspräsident und Interim-Chef Jordi am kommenden Montag wohl ein Update geben. Ich erwarte, dass er sich treu bleibt und die eigenen Ziele erfüllt. Für die Aktien heisst das: Die Erholung geht weiter, wobei es Schwankungen geben wird.
Medmix: Halten
Ein guter Börsenstart sieht anders aus. Die Aktien von Medmix sind seit Handelsbeginn am Donnerstag auf kleiner Tauchfahrt. Das Unternehmen ist eine Abspaltung einer recht profitablen Einheit aus dem Sulzer-Konzern. Doch wie mir scheint, sind die aktuellen Besitzer der Titel – jeder Sulzer-Aktionär bekam eine Aktie – nicht wirklich glücklich damit und trennen sich von den Papieren. Wer ausserdem über die auf die Erstnotiz folgende Kapitalerhöhung für 45 Franken pro Aktie eingestiegen ist, hat zu viel bezahlt. Diese lagen am oberen Ende der Preisspanne von 37 und 47 Franken. Die bislang gute Stimmung an den Kapitalmärkten hat sicher dazu beigetragen, dass die federführenden Banken den Preis fast ganz ausreizen konnten. Es bleibt nun abzuwarten, welchen Kurs der Markt als wirklich fair empfindet. Vielleicht ist die Herstellung von Kunststoffapplikatoren für medizinische, industrielle und kosmetische Zwecke eben doch nicht so attraktiv, wie man gemeint hat, als Medmix von einigen Medien etwas zu schnell zum «Medtech-Unternehmen» hochstilisiert wurde.
Pierer Mobility: Halten
Pierer Mobility ist eine Erfolgsstory. Früher hiess die österreichische Gruppe mit Schweizer Hauptkotierung KTM Industries. Genau, KTM wie die gleichnamigen Motorräder. Zum Motorradgeschäft, das auch die Marken Husqvarna und Gasgas umfasst, kommen noch zugkräftige E-Bike-Aktivitäten. Beide Bereiche brummen. Motorisierte Zweiräder liegen im Trend, die Nachfrage ist hoch. Die Covid-bedingten Einbussen vom ersten Halbjahr 2020 waren schon zum Jahresende aufgeholt. Der Erfolg ist kein neues Phänomen. Die Leute dort machen seit Jahren einen sauguten Job: Pierer Mobility erzielt schöne Wachstumsraten, realisiert Betriebsergebnisse von 8 bis 9 Prozent des Umsatzes und gewinnt Marktanteile. 2021 wird das elfte Rekordjahr in Folge, und nichts spricht gegen eine Fortsetzung. Doch Sie ahnen es: So was gibt es an der Börse nicht umsonst. Das «Kauffenster», das sich letztes Jahr auftat, ist wieder zu. Im historischen Vergleich liegt die Bewertung im oberen Bereich. Ich warte auf Rücksetzer, deshalb: halten.
Dufry: Halten
Die Aktien von Dufry gehören zu den besten Werten der vergangenen zwei Wochen. Rund 23 Prozent sind die Titel des Reisedetailhändlers seit Mitte September gestiegen. Der Grund: Seit die USA ihre Einreisebeschränkungen gelockert haben, herrscht viel Optimismus, dass sich die Reisebranche erholt. Dufry, die weltweit Duty-free-Shops betreibt, rechnet damit, Ende 2022 oder Anfang 2023 wieder zu einer Rentabilität auf dem Niveau von 2019 zurückzufinden. Ich bin da skeptischer. Auch wenn sich der Markt langsam erholt, ist das Umsatzniveau katastrophal. Und manche Prognose ist deutlich pessimistischer als die Vorhersagen, mit denen das Dufry-Management operiert. Gut, das Unternehmen ist liquide genug, um auch bei einer längeren Durststrecke nicht in Probleme zu geraten – den Kapitalmassnahmen sei Dank. Auch dass die Sparmassnahmen greifen und die Kosten langfristig sinken, ist positiv. Doch das Umfeld ist unsicher, und die Aktien könnten jederzeit wieder auf Talfahrt. Zudem sind die Restrukturierung und viel von der Erholung bereits eingepreist.
Roche: Kaufen
Geht es um das Thema Alzheimer, kann schon die kleinste Erfolgsmeldung Euphorie auslösen. So geschehen, als das Alzheimer-Medikament Aduhelm von Roche-Konkurrent Biogen im Juni in den USA zugelassen wurde. Die Aktien von Roche profitierten davon, dass Analysten eine Zulassung des hauseigenen Hoffnungsträgers Gantenerumab als sehr wahrscheinlich einschätzten. Die Chance, künftig auf einen Milliardenmarkt zu treffen, ist gross. Eine laufende Studie wird bereits im nächsten Jahr Klarheit bringen. Auch sonst ist die Pipeline üppig: Achtzehn Medikamente waren im ersten Halbjahr in einem fortgeschrittenen Stadium der Zulassung. Weitere sollen im laufenden Semester folgen. Erfreulich finde ich auch, dass die Umsatzerosion durch Nachahmerprodukte neu deutlich schwächer sein soll und im Zeitraum von 2020 bis 2025 lediglich 6,2 Milliarden Franken betragen dürfte. Demgegenüber stehen erwartete Umsätze durch neue Produkte von rund 18,1 Milliarden. Anleger können sich zudem wahrscheinlich über eine höhere Dividende freuen. Die Titel gehören in jedes Portfolio.
Diese Kolumne wird von den Redaktorinnen und Redaktoren der «Finanz und Wirtschaft» verfasst. Sie haben sich verpflichtet, nicht in den entsprechenden Titeln aktiv zu sein. Wer die Tipps dieser Kolumne umsetzt, tut das auf eigenes Risiko. Die SonntagsZeitung übernimmt keine Verantwortung. Weitere Artikel der «Finanz und Wirtschaft» finden Sie unter www.fuw.ch
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