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Special Olympics 
Ihre Mutter kettete sie an – jetzt will sie nicht aufhören, zu rennen

Ihr Lauf mit der Fackel wollte fast nicht enden: Sana rennt für ihr Leben gern, auch, weil sie in der Kindheit angekettet wurde.
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Am Sonntag sind die Special Olympic World Games in Berlin zu Ende gegangen. 6500 Athletinnen und Athleten mit geistiger Behinderung aus 176 Nationen waren beim grössten deutschen Multisportereignis seit den Olympischen Spielen in München 1972 dabei, betreut wurden sie von 18’000 Freiwilligen, insgesamt wurden auf 1334 Siegerehrungen 4002 Medaillen überreicht. Den 330’000 Besuchern werden von den neun Tagen in Berlin aber vor allem aussergewöhnliche Menschen und emotionale Momente in Erinnerung bleiben. Eine Auswahl.

Schnell wie der Wint

Wenn es um jamaikanische Läufer ging, blieb man bisher stets an der alles überragenden Figur Usain Bolt hängen. Die Special Olympics haben nun einen zweiten jamaikanischen Athleten berühmt gemacht, der für seine Verhältnisse ebenfalls rasant läuft, allerdings nicht auf seinen Beinen. Kirk Wint trat beim 50-Meter-Sprint im Berliner Hanns-Braun-Stadion mit einem Stil an, den er aus der Not heraus entwickelt hat: Er läuft auf Händen und Knien.

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Grund dafür ist, dass sich seine Eltern keinen Rollstuhl für ihr gehbehindertes Kind leisten konnten, hinzu kam eine geistige Behinderung Wints. So lernte er früh, sich alternativ fortzubewegen. Der inzwischen 21-Jährige trägt beim Laufen Handschuhe, mit dem Startsignal bewegt er sich vorwärts und erinnert dabei fast an einen Hasen.

Während er auf Händen und Knien sprintet, sprinten seine Gegner im klassischen Stil – also auf ihren Beinen – neben ihm her. Beziehungsweise bei den 50 Metern von Berlin weitestgehend hinter ihm her. Zwei waren zwar schneller als Wint, wurden aber wegen sogenannter Überperformance disqualifiziert – und so gewann Wint Gold.

Unzufrieden über ein 25:0

Es ist mehr als eine Randnotiz dieser Weltspiele für geistig und mehrfach Behinderte: Nicht wenige Athleten fühlten sich aus sportlicher Sicht ungerecht behandelt. Änderungen im Regelwerk des Veranstalters Special Olympics International führten in Berlin zu einer regelrechten Welle an Disqualifikationen, vor allem in der Leichtathletik und bei den Schwimmern. Wer seine persönliche Bestleistung um mehr als 15 Prozent steigerte, wurde aus der Wertung genommen. Hintergrund dieser strengen Regel ist das Ansinnen, ähnlich stark besetzte Leistungsgruppen zu erzeugen. Restlos gelungen ist das bei diesen Spielen nicht, was das Beispiel der deutschen Fussballer zeigte.

Die gewannen ihren Halbfinal 25:0 (kein Tippfehler) gegen die Schweiz und zeigten sich nach dem Schlusspfiff äusserst unzufrieden. Weniger mit dem Resultat als mit der Gesamtsituation.

Das deutsche Team hatte in der Vorrunde angesichts deutlich unterlegener Gegner absichtlich schwächer gespielt. Dieser Fair-Play-Gedanke wurde dem Team schliesslich zum Verhängnis. Wegen des schlechteren Torverhältnisses verglichen mit Ägypten wurden die Deutschen im Kampf um die Medaillen in eine niedrigere Leistungsgruppe eingeteilt. Selbst der Trainer der ägyptischen Auswahl sah sein Team jedoch schwächer als das deutsche und hätte mit Ägypten lieber in Leistungsklasse 2 statt in 1 gespielt. Doch es sollte nicht sein.

Der ägyptische und der deutsche Verband versuchten zwar noch, die Gruppen zu tauschen. Diesem Antrag gaben die Special Olympics aber nicht statt. Und so zog sich die Unterforderung der deutschen Fussballer bis in den Final um Gold durch, wo sie es bei einem 9:0 gegen Uganda beliessen.

Eine Umarmung für den Chef

Der mächtigste Mann der Special Olympics heisst Timothy Shriver, er ist der Vorsitzende des Weltverbands SO International. Der 63-Jährige stammt aus der Kennedy-Familie, also der Präsidenten- und gleichwohl Gründerfamilie der Special Olympics. Bei der Eröffnungsfeier im Berliner Olympiastadion hielt Shriver eine flammende Rede, pathetisch und leidenschaftlich, fast wie ein Prediger, so wie man es von ihm kennt. Geistig Behinderte überwänden Hindernisse, rissen Mauern ein und liessen sich nicht in die Isolation zwingen. Teilweise rief er seine Worte hinaus in die Berliner Nacht – ehe er mitten im Satz unterbrochen wurde.

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Ein Athlet aus der syrischen Delegation hatte sich von seinen Teamkollegen gelöst und war Richtung Redner gerannt. Für einen Moment wirkte Shriver irritiert, zumal ihn der Athlet auch noch umarmte. Aber dann machte Shriver mit. «I’m getting a hug», sagte er und erwiderte die Umarmung.

Da standen sie nun für diesen kurzen, winzigen Moment, der eine in roter Trainingsjacke, der andere im grauen Jackett, ehe der Sportler unter Gejohle und Getöse zurück zu seinem Platz lief. Nach der ungeplanten Pause erzählte Shriver dann weiter, vom Kampf für mehr Inklusion, den ja seine Mutter Eunice Kennedy Shriver in den 60er-Jahren begonnen hatte. Anlass war seinerzeit die Behinderung von John F. Kennedys Schwester Rosemarie gewesen. Was damals als Gartenparty begann, ist inzwischen zur grössten inklusiven Sportveranstaltung der Welt geworden – inklusive Free Hugs für den Chef.

Sana rennt

Am Eröffnungsabend kam es zu einer weiteren Szene, die von diesen Spielen in Erinnerung bleiben wird, mit der 21-jährigen Sana aus Pakistan in der Hauptrolle.

Sie trug die Fackel über die blaue Berliner Laufbahn, strahlte vor Freude, schaute nur nach vorne. Und rannte, rannte, rannte. Sie rannte so lange, dass sie gar den Wechsel verpasste, um ihre Fackel an den nächsten Athleten weiterzugeben. Und so rannte plötzlich noch einer, ein Mitglied des Organisationsteams nämlich, hinter Sana her. Schliesslich erkannte Sana dessen Ansinnen und liess sich von ihm zum Übergabeort begleiten.

Wegrennen ist ihr Thema, schon seit dem Kindesalter. Ein ehrenamtlicher Sozialarbeiter im Süden der pakistanischen Provinz Sindh hatte vor drei Jahren von Sanas bedrückender Geschichte erfahren. Im Film «So weit sie laufen können» ist ihre Geschichte festgehalten, auch ein Gespräch mit Sanas Mutter. Die berichtet, dass Sana als Kind aufgrund ihrer Behinderung teilweise unberechenbar gewesen und von zu Hause weggerannt sei.

Als ein ebenfalls geistig behindertes Mädchen aus dem Nachbardorf in einem Feld vergewaltigt wurde, beschloss die Mutter, ihre Tochter zur Sicherheit zu Hause anzuketten. Während die Mutter davon erzählt, bricht sie in Tränen aus, Sana tröstet sie: «Weine nicht, Mama.»

Der Sozialarbeiter befreite die Familie schliesslich aus der schlimmen Situation, vor allem befreite er Sana und nahm sie mit auf eine Reise, die nun bis zu den Special Olympics nach Berlin geführt hat.

Asterix ist ausverkauft

«Unity», das Herzmaskottchen der Berliner Spiele mit dem Grinsegesicht, zählte wahrscheinlich zu den am meisten umarmten Figuren der Spiele, da kann auch Weltverbandschef Timothy Shriver nicht mithalten.

Noch beliebter als Unity war bei diesen Spielen nur ein ganz spezielles Comicheft: Der Berliner Verlag Egmont Ehapa brachte aus Anlass der Special Olympics eine Sonderausgabe von «Asterix bei den Olympischen Spielen» in leicht verständlicher Sprache heraus, die Firma Capito hat die Texte der Sprechblasen aus der Originalfassung vereinfacht und verkürzt, die Zeichnungen blieben unverändert.

Gedruckt wurden von dieser Sonderausgabe allerdings nur 20’000 Exemplare, und da diese vornehmlich an die 6500 Athleten und Athletinnen sowie die 18’000 freiwilligen Helfer und Helferinnen verteilt wurden, war das Heft im Onlineshop der Special Olympics bereits nach Tag eins der Spiele ausverkauft. Ob eine Neuauflage geplant ist? Special Olympics und der Verlag teilen auf Nachfrage mit, man befinde sich darüber «im Gespräch».