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Lo&Leduc im Interview
«Unser Erfolg schreckt viele ab»

Lo (Lorenz Häberli) und Leduc (Luc Oggier) (v.l.) wagen auf ihrem neuen Album «Mercato» etwas mehr Schwermut und etwas weniger Fröhlichkeit.
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Was war das Schlüsselerlebnis, warum sich zwei bleiche Buben aus dem Berner Hip-Hop-Milieu für karibischen Schmachtpop zu interessieren begannen?

Leduc: Ich war zu Beginn allergisch gegen Rap, fand ihn repetitiv und nicht besonders kreativ. Ich habe ihn schlicht nicht verstanden. Zu lateinamerikanischer Musik hat mich der Film «Buena Vista Social Club» gebracht. Ab da wurde ich zum Nerd, der sich in die zahlreichen Subgenres vertiefte.

Lo: Meine Kindheit war von den Beatles und The Doors geprägt, dem Sound meiner Eltern. Einen eigenen Zugang zu Musik fand ich über die Sprache, vor allem über deutschsprachigen Rap.

Ist der typische Lo&Leduc-Sound also weniger Berechnung als eine logische Folge Ihrer musikalischen Biografien?

Lo: Hätten wir uns nicht getroffen, wäre ich vermutlich ein ziemlich konventioneller Rapper geworden und wohl auch geblieben.

Dann hätte keine Sonne in Ihr Werk Einzug gehalten?

Lo: Vermutlich nicht. Wir haben in einer Zeit damit begonnen, Musik zu veröffentlichen, als der Schweizer Rap bereits sehr etabliert war. Man wusste aber nicht mehr so recht, wie es nun weitergehen soll. Wir haben dann in der Zusammenarbeit festgestellt, dass wir keine Angst haben dürfen, ganz neue Wege zu gehen, wenn wir uns musikalisch öffnen wollen.

Sie haben sich für eine Öffnung zum geschmeidigen Pop entschieden, der vom Goldketten-Latino über den Teenager bis zur SRF-1-Musikredaktorin alle begeistert.

Leduc: Auch wenn uns das oft unterstellt wird, war das keine strategische Entscheidung. Unsere Musik war von Anfang an leichter, süsser, eingängiger. Gerade ich hatte da keine Hemmungen. Wir haben uns immer auch für Melodien interessiert. Das war im Rap lange verpönt. Heute gibts praktisch kein Mundart-Rap-Album mehr ohne Singsang.

«Alles, was man nach einem solchen Hit macht, fühlt sich erst mal anders an, fad, weniger wertvoll.»

Lorenz Häberli (Lo)

Und wie schafft man es, zeitgeistig zu sein, ohne die Masse zu vergraulen? Wie geht Singsang-Reggaeton-Trap für die ganze Familie?

Lo: Ein Grund für den Erfolg könnte sein, dass wir sehr auf die Sprache achten. Den meisten Songs liegt eine konkrete Idee zugrunde, jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt. Wir überlegen uns sehr gut, was wir sagen und wie wir es sagen, und ob man versteht, was wir sagen wollen.

Leduc: Es ist ja keineswegs so, dass wir damit alle abholen. Unser Erfolg schreckt viele ab, die die Nische suchen. Wir dürfen gar nicht den Anspruch haben, alle erreichen zu wollen. Das wäre ja nur peinlich. Man kann nur von sich ausgehen, bei sich bleiben und das bieten, was man fühlt. Aber ja, ich gebe es zu: Mich beeindrucken Lieder, die sowohl von den Grosseltern als auch von Enkelkindern gehört werden. Warum sollten wir jemanden von vornherein ausschliessen?

Sie haben es ja eigentlich schwer. «079» war der grösste Hit in der Geschichte des Schweizer Pop. Sie sind also eine Band, die fast notgedrungen den Zenit schon überschritten hat. Wie musiziert es sich unter dieser Prämisse?

Leduc: Uns ist klar, dass wir dem nicht mehr hinterherrennen dürfen. Es wird nie mehr einen solch erfolgreichen Song geben. Den quantitativen Zenit haben wir also wohl erreicht. Der qualitative Zenit ist jedoch noch meilenweit entfernt.

Lo: Man muss sich von solchen Erfolgen auch irgendwie freistrampeln. Alles, was man nach einem solchen Hit macht, fühlt sich erst mal anders an, fad, weniger wertvoll. Es braucht seine Zeit, wieder unbefangener Musik machen zu können. Eine Art Puffer. Wir haben zum Beispiel 2019 eine EP herausgebracht, auf der sich für mich persönlich etliche sehr gute, wenn nicht bessere Songs finden. Aber diese EP führt ein Schattendasein. Das braucht es wohl.

Auf dem neuen Album gibt es die Textzeile: «Si säge mir si nümme so wie früecher, i bi no froh, wüu es isch o nümm wie früecher.» Was unterscheidet Lo&Leduc 2022 vom Duo der Anfangszeit?

Lo: Vieles ist genau gleich geblieben. Das Team ist im Kern noch dasselbe. Wir machen immer noch auf dieselbe Art Musik. Was aber sicher dazukommt, ist ein Jahrzehnt persönlicher Entwicklung. Wir sind älter geworden.

«Reiner Fröhlichkeit misstraue ich zutiefst», sagt Lo (Lorenz Häberli), hier rechts.

Wie äussert sich das? Eigentlich geht es auch auf «Mercato» doch noch immer um die typischen Lo&Leduc-Themen: Liebe, Fernweh und Telekommunikation.

Lo: Es gibt ja auch eigentlich nur sehr wenige Themen, wovon Lieder handeln. Nur der Umgang hat sich verändert. Der Zugang zu Sehnsucht und zu Unsicherheit oder zu Intimität. Ich würde behaupten, gerade die Texte sind differenzierter geworden.

Was macht einen Song zum Ohrwurm: die Melodie oder der Text?

Lo: Das kann man so nicht klar sagen. Schöne Melodien haben noch so manche Meinung umgedreht. Aber es gibt eben auch Textstellen, die ein Eigenleben entwickeln und plötzlich hängen bleiben.

Wie Ihr berühmtes «Per favore».

Lo: Das ist ein gutes Beispiel. Im Text zu «079» klaffte lange Zeit eine Lücke, die wir zuerst nicht füllen konnten. Und da hat Leduc «Per favore» vorgeschlagen…

Leduc: …ich wusste, dass du es hassen würdest.

Lo: Ja, das tat ich. Dann liessen wir es aber drin, in der Hoffnung, vielleicht später noch etwas Besseres zu finden. So etwas kann man nicht planen oder sich ausdenken. Aber ja: Am Ende war «079» schon jener Song, der auch irgendwie am rundesten war.

Büne Huber sagt immer wieder, dass er bei all den Songs, die später durch die Decke gegangen sind, bereits im Moment der Entstehung wusste, dass das gross werden wird. Haben Sie ähnliche Erlebnisse?

Leduc: Nicht so ausgeprägt. Die Struktur eines Popsongs ist relativ schnell gelernt. Aber Schema F reicht eben nicht. Es muss in einem Lied noch etwas anderes köcheln. Auf dem neuen Album finden sich Skizzen von Songs, die bis ins Jahr 2012 zurückgehen. Was ich damit sagen will: Irgendwann geht ein Knopf auf, und dann bist du dir so sicher, dass die Zeit für den Song gekommen ist.

«Der Soundteppich ist nicht die Karibik, der Soundteppich ist Bern. Die Welt ist längst ein Remix.»

Luc Oggier (Leduc)

Ihr neues Album lässt einen trotzdem etwas ratlos zurück. Der Beat ist aus äquatornahen Gegenden entlehnt, die Stimmung jedoch trüb wie unter einer zähen mittelländischen Nebeldecke. Ist dies Ausdruck einer gewissen neuen Zerrissenheit?

Lo: Zerrissenheit ist ein Gefühl, das ich oft habe und auch immer wieder in Songs thematisiere. Wenn man eine fröhliche Lied-Idee hat, gibt es musikalisch drei Möglichkeiten: Entweder man verstärkt die Fröhlichkeit, man neutralisiert sie oder konterkariert sie. Reiner Fröhlichkeit misstraue ich zutiefst. Ich kann nur von mir reden, aber ich war noch nie einen ganzen Tag lang glücklich.

Leduc: Echt?

Lo: Ja.

Leduc: Und ich muss jeden Tag mit ihm verbringen (lacht).

Womit wir wieder bei der Nebeldecke wären.

Leduc: Es ist logisch, dass man unseren Liedern die Nebeldecke anhört. Wir haben sie ja auch hier geschrieben. Und die sonnige Musik ist für mich eben nicht ein kompensierendes Eskapismus-Gewürz, das der Song noch braucht, damit er irgendwie exotisch wird. Der Soundteppich ist nicht die Karibik, der Soundteppich ist Bern. Die Welt ist längst ein Remix.

Es scheint, als hätten Lo&Leduc für dieses Album die Hit-Brechstange weggelegt, die Sonne ausgeknipst und das Wort an eine Jugend in der permanenten Gefühlsbaisse gerichtet.

Lo: Ich bin erstaunt, dass die Leute das Album als schwer beschreiben. Ich empfinde eigentlich ein fröhliches Grundgefühl.

Leduc: Wenn ich die Entstehung des Albums anschaue, steht auch für mich die Leichtigkeit im Vordergrund. Aber es ist sicher keine aufgesetzte Fröhlichkeit. Wir haben weniger versucht, lineare Geschichten zu schreiben, sondern Stimmungen zu vertonen, ohne sie zu fest zu verkopfen oder zu verkochen.

Rührt die unterschwellige Schwermut womöglich vom Umstand, dass es sich um ein Pandemie-Album handelt?

Leduc: Gut möglich. Das hat bestimmt abgefärbt. Alles andere wäre ja beängstigend.

Sie haben beide beschlossen, neben der Musik zu arbeiten. Hat Sie dies vor der ganz grossen Corona-Kulturkrise bewahrt?

Lo: Ich habe mitten in der Pandemie beschlossen, mich voll aufs Kulturschaffen zu konzentrieren. Interessanterweise hat mich die erzwungene Entschleunigung noch deutlicher erkennen lassen, dass es das Musikmachen ist, das ich liebe, und weniger die Öffentlichkeit und der Erfolg. Bei mir lief es also antizyklisch.

Wer inspiriert Sie?

Leduc: Jetzt ist ja Stromae zurück. Er ist sicherlich ein Kompass.

Lo: Ich bin fast aufgeregter über sein Album als über unseres (lacht).

Wie ist es mit Schweizer Vorbildern?

Leduc: Endo Anaconda bleibt der Grösste. Als uns die traurige Nachricht seines Todes erreichte, haben wir uns gerade darüber unterhalten, wie seine Strophen immer auch rätselhaft geblieben sind. Sie brauchten keine starre Form, liessen eine solche gar nicht zu. An ihm werden wir uns wohl für immer orientieren.

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Zum Schluss noch ein paar Auswahlfragen: In der Schweiz haben Sie alles erreicht. Was könnte noch kommen? Ein Auftritt beim «Benissimo»-Revival? Die eigene Abendshow?

Leduc: Die Abendshow. Vielleicht im Turnus mit variierenden Kuratorinnen.

Zurück ins Hip-Hop-Milieu oder das noch konsequentere Anpeilen des SRF-1-Publikums?

Lo: Ich nehme den Hip-Hop.

Leduc: Ich habe kein Problem mit dem SRF-1-Publikum. Ich möchte SRF 1 besser machen.

Humor auf der Kleinkunstbühne oder das weitere Abgrasen aller Deutschschweizer Open Airs?

Lo: Zu Humoristen taugen wir offensichtlich nicht. Im Moment freuen wir uns auf die Club-Tournee.

Ein Unplugged-Album oder noch mal Symphonieorchester?

Lo: Am liebsten beides.

Irgendwann war zu vernehmen, dass Sie beide an Soloalben arbeiten. Sie, Leduc, haben sich für ein New-York-Stipendium beworben, das Sie in diesem Jahr antreten dürfen. Sind das erste Zerfallserscheinungen?

Leduc: Nein. Natürlich steht bei einem Duo immer die Frage im Raum, was wohl wäre, wenn jeder Soloprojekte angehen würde. Interessant wären zwei Soloalben vereint auf einem. Und die Frage, ob das dann noch Lo&Leduc wäre, oder was diese Band überhaupt genau ausmacht. Diesem Rätsel sind selbst wir noch nicht auf die Schliche gekommen.