Die Kosten der KinderbetreuungSind Babys und Kühe bald gleichgestellt?
Oder lacht am Ende doch nur die Kuh? Unsere Autorin über eine Vorlage, bei der es um die Kleinsten unserer Gesellschaft geht.
In kaum einem anderen hoch entwickelten Land der Welt ist die familienergänzende Kinderbetreuung für Eltern so teuer wie in der Schweiz. Die Konsequenz? Sind beide Eltern erwerbstätig, haben sie oft weniger Geld zur Verfügung, als wenn ein Elternteil zu Hause bleibt. Und wenn sich der Job nicht lohnt, bleibt frau (in vielen Fällen) zu Hause.
Laut einer Unicef-Studie zahlen Eltern in der Schweiz im Schnitt fast die Hälfte ihres Einkommens für die vollzeitliche Betreuung zweier Kinder im Vorschulalter. Auch im OECD-Vergleich gibt die Schweiz am wenigsten für Kinder zwischen null und vier Jahren aus; bloss 0,4 Prozent des BIP. Zum Vergleich: Dänemark investiert 2 Prozent. Und wen wunderts? In der Schweiz bekommen sogar Kühe mehr Geld als Babys: 400 Millionen Franken Direktzahlungen des Bundes gingen 2021 an die graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion sowie Tierwohlbeträge. Die Schaffung von Kitaplätzen wird seit 2003 im Schnitt mit nur 21,5 Millionen Franken jährlich unterstützt.
Nun sollen Babys endlich den Kühen gleichgestellt werden: Zum einen sollen die Eltern 20 Prozent weniger für die institutionelle Kinderbetreuung zahlen müssen, zum anderen die Kantone für die Politik der frühen Förderung jährlich mit 60 Millionen unterstützt werden. Für diese parteiübergreifende Lösung hat sich auf bürgerlicher Seite auch der Arbeitgeberverband eingesetzt, in der Hoffnung, erwerbstätige Mütter könnten den Fachkräftemangel abfedern.
Für alle, die jetzt rufen, das Ganze müsse sich volkswirtschaftlich rechnen: Eine Studie von BAK Economics zeigt, dass Investitionen in Förderangebote für Kinder zwischen null und vier Jahren sich bereits nach etwa zehn Jahren auszahlen und sich das BIP jährlich um 3,4 Milliarden Franken steigern lässt.
Alles paletti also? Nicht ganz. Es ist richtig, wenn die Kosten für die Kinderbetreuung sinken und den Eltern so die Erwerbstätigkeit erleichtert wird. Doch dürfen die zu tiefen Löhne der Betreuenden und der gravierende Personalmangel in Kitas nicht vergessen gehen: Das muss sich verbessern, auch ein GAV steht aus. Care-Arbeit ist wertvoll, es geht um die Kleinsten unserer Gesellschaft. Die Qualität, also der Betreuungsschlüssel und die Arbeitsbedingungen der Betreuenden, sind ebenso relevant wie die Wirtschaftlichkeit für die Eltern. Die entsprechenden Kosten müssen einkalkuliert werden.
In der Frühlingssession kommt die Vorlage ins Parlament. Für die Unterstützung aus allen politischen Lagern ist es sinnvoll, den Geltungsbereich auf das Vorschulalter zu begrenzen – was die Vorlage auch günstiger machen würde. Wäre schade, wenn diese kluge und sinnvolle parlamentarische Initiative abstürzen würde – sonst wäre es dann nur noch la vache, qui rit.
Nadine Jürgensen ist Juristin, Journalistin und Mitgründerin von elleXX, einer Finanzplattform für Frauen.
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