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Meinung

Peter Arbenz (1937–2023)
Ein streitbarer Geist mit weitem Blick

Peter Arbenz, Winterthurer Stadtrat von 1977 bis 1986.
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Mit Peter Arbenz konnte man wunderbar reden und debattieren: über Autos, die ja schliesslich irgendwo durchfahren müssen, über den Sinn oder Unsinn von Parkplätzen in der Altstadt, aber auch über das Leben und Leiden vieler Menschen in fernen Ländern, sei es in Tibet, in Ex-Jugoslawien, sonst wo auf der Welt oder auf der Flucht.

Peter Arbenz wusste viel und konnte viel: reiten und zupacken, streiten und nicht locker lassen. Und es war stets spannend, seine Argumente zu hören, denn er hörte immer auch jene des Gegenübers. Eines der letzten Gespräche mit Peter Arbenz, an das sich der Schreibende erinnert und das schon einige Jahre zurückliegt, führte zu einer Wette: Nie und nimmer wird Winterthur unter dem Stadtgarten ein Parkhaus bauen, sagte der Schreibende. In fünf Jahren haben wir es, konterte Peter Arbenz. Ein Handschlag, und die Wette galt. Arbenz verlor und brachte die vereinbarte Flasche Wein später ins Büro.

Kühe hüten auf der Schützenwiese

Peter Arbenz wurde am 23. August 1937 in Winterthur geboren und wuchs im Neuwiesenquartier auf. Sein Vater war ein von Schülerinnen und Schülern sehr geschätzter Lateinlehrer am Gymnasium. «Gutbürgerliche Verhältnisse» nennt man das. Peter Arbenz selber erzählte vor einigen Jahren in einem Radiogespräch, er sei in den Ferien jeweils am liebsten auf dem Bauernhof nebenan arbeiten gegangen: die Kühe zur Schützenwiese bringen, im Mockentobel heuen. Kein Wunder, waren seine ersten Berufswünsche Bauer, Veterinär und dann Grossfarmer – was schon andeutete, dass er dereinst auch die weite Welt würde erkunden wollen.

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«Zeitlebens ein Kämpfer»: Arbenz bei der Bundesfeier 2020 vor dem Winterthurer Stadthaus.
Peter Arbenz (M.) als Flüchtlingsdelegierter 1993 beim Empfang von Kriegsflüchtlingen auf dem Flughafen Zürich. Links neben ihm der damalige Justizminister Arnold Koller (CVP).
2022 als Präsident der Winterthurer Bundesfeierkommission vor dem Stadthaus mit Bundesrätin und Festrednerin Viola Amherd. 

Nach der Kantonsschule aber machte er anderes: Flüchtlingshilfe in Ungarn gemeinsam mit Elisabeth Kopp, Karriere im Militär und Wirtschaftsstudien in St. Gallen und London. Den ersten Job hatte er wieder zurück zu Hause, bei Sulzer, später auch bei Hasler. 1962 schnupperte er zum ersten Mal in Tunesien die Luft der Entwicklungshilfe, bei Helvetas, deren Geschäftsleiter er später wurde und Präsident noch später. Zunächst aber zog es ihn Mitte der 1960er-Jahre nach Kathmandu, in ein Projekt zur Wiedereingliederung von tibetischen Flüchtlingen. Bis heute existiert dort eine Teppichmanufaktur, die auf Arbenz’ Initiative entstand. 1970 dann startete er seine politische Karriere: Er wurde ins Stadtparlament gewählt. Er war ein strammer Freisinniger, der die Fusion mit den Demokraten in Winterthur vorangetrieben hatte. Für die FDP wurde er 1977 in den Stadtrat gewählt.

Parkhäuser in der Altstadt?!

Damals herrschte quasi ein Krieg um Autoverkehr und Parkplätze in der Altstadt. Eigentlich hatte das Volk an der Urne eine autofreie Altstadt gewünscht, doch Peter Arbenz machte nicht so rasch vorwärts, wie die Initianten das gehofft hatten. Im Gegenteil: «Er wollte sogar Parkhäuser in der Altstadt möglich machen», erinnert sich ein Kämpfer aus jenen Jahren. «Und er hat praktisch jedes Baugesuch bewilligt, das ein altes Haus durch ein neues ersetzte, damit ging ein guter Teil vom alten Winterthur verloren.»

Man muss allerdings erwähnen, dass unter Arbenz’ Ägide die Marktgasse und das Obertor ausgeebnet, der Graben und der Neumarkt neu gestaltet wurden. Auch das Stadttheater, zwei Altersheime und die Unterführungen Zürcher- und Wülflingerstrasse konnte er als Stadtrat einweihen. Was ihm am Herzen lag, aber nicht gelang, war der Breitetunnel – eine grosse Enttäuschung für Arbenz: Das Volk lehnte schon den Planungskredit ab. Ein Projekt wurde nie ausgearbeitet. Heute steht das Thema wieder auf der Traktandenliste – die Positionen sind die alten geblieben.

«Hi, I’m General Arbenz»

1986 trat Arbenz als Stadtrat zurück und wurde vom Bundesrat zum Delegierten für das Flüchtlingswesen ernannt, vier Jahre später baute er als Direktor das Bundesamt für Flüchtlinge auf. Von den Lokalseiten rückten seine Statements nun auf die Frontseiten der Zeitungen und in die «Tagesschau» am Fernsehen. 1993 sah er seine Aufgabe als erledigt an, kündigte und machte sich als Berater und Strategieentwickler selbstständig. Doch schon bald wieder rief man ihn zu Hilfe, diesmal noch eine Stufe höher. Er, der es als Miliz-Brigadier auch in der Schweizer Armee an die Spitze gebracht hatte, wurde Generalinspektor der UNO- Schutztruppen im ehemaligen Jugoslawien. 40’000 Soldatinnen und Soldaten aus 40 Armeen hatte er zu inspizieren – und wie er später einmal erzählte, habe er sich jeweils so vorgestellt: «Hi, I’m General Arbenz.»

Und um die Jahrtausendwende nahm er sich noch einmal ein ganz anderes Arbeitsfeld vor: Er wurde zum Troubleshooter und Sanierer der Pensionskasse des Bundes, die wegen Misswirtschaft und unfähigen Managements in Schieflage geraten war. Bleibt zu ergänzen, dass General Arbenz bis fast zuletzt in zwei, drei Dutzend Firmen und Gesellschaften in führenden Funktionen tätig war. So etwa war er als Präsident der hiesigen Bundesfeierkommission noch am 1. August dieses Jahres an vorderster Front in Winterthur im Einsatz.

Von den Leidbekundungen wollen wir ein Statement von Stadtpräsident Michael Künzle erwähnen: «Peter Arbenz war eine grosse Persönlichkeit, zeitlebens ein Kämpfer, ein Netzwerker, ein Diplomat und Stadtrat. Er war auf der lokalen, nationalen und internationalen Ebene engagiert und bekannt. Die Arbeit trieb ihn an, Herausforderungen machten ihn stark. Er ist mir ein grosses Vorbild.»