Werkstatt für Kameras in HorgenBei ihm finden Kameraliebhaber noch ihre Ersatzteile
Claudio Fabio ist einer der Letzten, die analoge Kameras wieder instand setzen können. Mit seiner Werkstatt ist er Anlaufstelle für Kunden aus der ganzen Schweiz.
Wer den Fuss in die Werkstatt von Claudio Fabio setzt, wähnt sich um Jahre in der Zeit zurückversetzt. An den Wänden hängen alte Bilder und Fotowerbungen, auf den Regalen finden sich nostalgische Fotofilmschachteln. Kein Geräusch von draussen vermag in den fensterlosen Raum einzudringen. In seiner Werkstatt im Erdgeschoss einer modernen Überbauung an der Plattenstrasse in Horgen hat sich der 61-Jährige sein persönliches, kleines Universum eingerichtet.
Im Atelier «Classic Camera Repair» – jahrelang befand es sich in Oberrieden – repariert, restauriert und pflegt der Spezialist analoge Fotoapparate. Ein Beruf, den es in der digitalisierten Welt eigentlich nicht mehr braucht; heutige Fotografen arbeiten mit Digitalkameras. Dennoch kann Claudio Fabio davon leben. Bis an die Decken ist der kleine Raum gefüllt mit Fotokameras und einer Vielzahl von Werkzeug. Einige Instrumente sind winzig und ähneln denen eines Uhrmachers.
Der gesprächige Kameraexperte mit italienischem Akzent – ursprünglich stammt der Horgner aus Salento – zeigt auf Fotoapparate auf einem Tisch: 16 verschiedene Kameras von Leica, Pentax, Canon, Nikon, oder Liebhaberstücke wie Hasselblad liegen dort: «Diese muss ich alle bald reparieren – meine Kundinnen und Kunden warten.» Neben dem Tisch stapeln sich Pakete mit defekten Kameras, die Claudio Fabio aus der gesamten Schweiz zugeschickt wurden.
Vom Hobby zum Beruf
Begonnen hatte alles mit einer Faszination: «Schon als Zehnjähriger war ich begeistert von alten Uhren und habe diese auseinandergebaut.» Die kleinen Einzelteilchen und die Mechanik hatten es ihm angetan. Während der Lehrzeit als Heizungsmonteur und später als Polymechaniker interessierte sich der lebhafte Horgner immer mehr für die Fotografie. «Während dieser Zeit habe ich mit einer Rolleiflex-Kamera begonnen zu fotografieren.» In einer Vitrine an der Wand sind einige solcher weltbekannten handlichen, kleinen Kameras des deutschen Unternehmens Rollei (Gründungsjahr 1920) zu sehen. Insbesondere die Zeit mit seiner Familie habe er ständig auf Film festgehalten.
Tauchten Probleme mit der Kamera auf, behob Claudio Fabio sie selbst. Mit der Zeit habe er sich an die Reparatur von anderen Kameramodellen gewagt. Während zehn Wochen lernte er bei einem Kameramechaniker die wichtigsten Fertigkeiten und wagte den Schritt in die Selbstständigkeit. «Es hat sehr viel Zeit gekostet, bis ich die nötige Erfahrung dafür hatte.» Seit fast 20 Jahren repariert der Kameraspezialist nun hauptberuflich Fotoapparate und kann davon leben.
Junge sammeln weniger
Die Reparatur von analogen Kameras ist Claudio Fabios Leidenschaft. Begeistert erzählt er von seiner Arbeit, zeigt, wie die verschiedenen Werkzeuge – einige hat er nach seinen Plänen herstellen lassen – funktionieren, und demonstriert, wie die hochpräzisen Messgeräte in seiner Werkstatt verwendet werden. Schwungvoll zieht er die Kurbel an einer alten Kamera zurück und überprüft mit einem sogenannten «Kollimator» konzentriert den Verschluss des alten Gerätes.
Claudio Fabio spricht schnell und erzählt sprunghaft; hält er jedoch seine Kameras und Werkzeuge in der Hand, kommt die ruhige und geduldige Seite des 61-Jährigen zum Vorschein. In seiner Werkstatt weiss er, trotz der vermeintlichen Unübersichtlichkeit, ganz genau, wo er sein Material findet – zielstrebig steuert der Spezialist durch den kleinen Raum und greift zur gesuchten Kiste.
Früher seien es vor allem ältere Personen gewesen, die ihre Kameras bei ihm vorbeibrachten. Mittlerweile kämen aber auch sehr viele Junge vorbei. «Auffällig dabei ist, dass die junge Kundschaft nicht mehr so viele Modelle sammelt wie die älteren Semester, dafür aber bestens über die Kameramodelle informiert ist.» Junge, die sich für die analoge Fotografie interessieren, würden viel Wert darauf legen, dass es sich wirklich um eine mechanische Kamera handelt, bei der jegliche Einstellungen von Hand vorgenommen werden müssen. «Kameras aus den 80er- oder 90er-Jahren, mit einem automatischen Fokus, interessieren sie nicht.»
Grübeln in der Nacht
Für die Reparaturen braucht er drei Stunden oder mehrere Tage. «Es hängt vor allem davon ab, ob die Kamera gut gepflegt wurde und keine grossen Schäden, wie beispielsweise nach einem Sturz auf den Boden, aufweist.» Oft sei die Mechanik verklemmt, oder das Liebhaberobjekt müsse neu justiert werden, also beispielsweise die Verschlusszeit korrigiert werden. Schwierig seien jene Kameras zu reparieren, die jemand anders zuvor unsachgemäss zu flicken versucht habe. «Vor allem junge Kunden, die nicht sehr viele Geld haben, versuchen ihre Kameras oft mithilfe eines Videos aus dem Internet selbst zu reparieren.» Dies könne, wenn das passende Werkzeug nicht vorhanden sei, zu grösseren Schäden am Gerät führen. Meistens könne der Kameradoktor das Gerät jedoch reparieren. «Manchmal grüble ich auch nachts über eine mögliche Lösung nach.»
Die Kameras, die beim Kameramechaniker in der Werkstatt landen, sind teilweise über 70 Jahre alt. In seiner Werkstätte finden sich Ersatzteile aller Art. Wenn Fotogeschäfte in Konkurs gingen und ihren Lagerbestand verkauften, war Claudio Fabio zur Stelle und deckte sich mit Material ein. Auch auf grossen Fotoflohmärkten in den 90er-Jahren sammelte der 61-Jährige ein grosses Lager von Ersatzmaterial und Werkzeug zusammen.
Claudio Fabio ist einer der Letzten in der Schweiz, die noch die nötige Erfahrung und die Ersatzteile für Analogkameras besitzen. Obwohl die Fotografie heutzutage digital stattfindet, zeigt er sich dennoch zuversichtlich: «Junge setzen vermehrt wieder auf die analoge Fotografie. Sie wollen wieder handwerklich arbeiten.» Damit seine Erfahrung nicht verloren geht, möchte der Kameraspezialist nach seiner Pensionierung jemanden anlernen. «Es haben schon einige ihr Interesse kundgetan. Derzeit fehlt mir aber einfach noch die Zeit dazu.»
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