Überragende Ditaji KambundjiInnert einer Stunde läuft sie zweimal Schweizer Rekord
Die 21-jährige Bernerin brilliert am Citius-Meeting im Wankdorf über 100 m Hürden in 12,47 Sekunden. Damit ist sie nun gar auf WM-Final-Kurs.

Sie kann ihr Glück kaum fassen. Und wer in diesem Moment auf die Anzeigetafel blickt, tut das ebenso ungläubig. 12,51 steht da – es ist eine unfassbare Zeit, die Ditaji Kambundji auf die neue Bahn im Leichtathletikstadion Wankdorf trommelt. Zwölf Jahre lang hatte der Schweizer Rekord von Lisa Urech über die 100 m Hürden Bestand, nun pulverisiert ihn Kambundji gleich um 11 Hundertstelsekunden. Und das erst noch im Vorlauf.
Ob es noch schneller geht, wird sie gefragt. «Vielleicht», hält sie lächelnd fest. Und Boom – im Final setzt die 21-Jährige noch einen drauf! Bei Windstille reüssiert sie in 12,47 Sekunden. Damit ist sie nicht nur die schnellste Europäerin in diesem Jahr und U-23-Europarekordhalterin, sondern weltweit die Nummer 11. «Ich bin einfach unglaublich glücklich», sagt sie. «Bereits im Warm-up fühlte ich mich sehr leicht und spritzig. Aber dass ich so schnell war, hat mich selbst überrascht.»
Wie hoch Kambundjis Leistung zu gewichten ist, zeigt der Blick auf die internationalen Bestenlisten. Die Jahresweltbestzeit von Nia Ali liegt bei 12,30. Aber insgesamt sind nur zehn Athletinnen schneller gelaufen als Kambundji, darunter sechs Amerikanerinnen und die Weltmeisterin Tobi Amusan aus Nigeria. Sie wird höchstwahrscheinlich an der in zwei Wochen beginnenden WM in Budapest nicht dabei sein, weil sie wegen drei verpasster Dopingtests im Juli vom Weltverband vorläufig suspendiert wurde. Und: Nur drei Amerikanerinnen dürfen im Hürdensprint antreten – das erhöht die Chancen von Kambundji auf eine Finalqualifikation markant, sofern sie nochmals eine solche Leistung abliefern kann. Vor Jahresfrist schaffte es die letzte Athletin mit 12,50 in den WM-Final.
«Die Ziele werden nun immer höher», hält Kambundji fest. Ihr Vorhaben war stets, das schnellste Rennen in dieser Saison an der WM abliefern zu können. Das hat sich nach ihrem Coup in Bern nicht geändert. «Nun muss ich halt noch schneller laufen», meint sie, «und das ist schon möglich.»
Wie locker und leicht die Bernerin derzeit unterwegs ist, zeigt sich am Citius-Meeting: Denn nur eine Stunde blieb ihr nach dem Vorlauf bis zum Final. «Natürlich habe ich mich mega gefreut, aber ich versuchte, einfach cool zu bleiben», sagt sie. Also legte sich Kambundji zwischen den beiden Rennen hin und versuchte, sich zu beruhigen – was ihr zweifellos gelang.
Zu den vielen Gratulantinnen im Zielraum gehört auch Claudine Müller. Unter der ehemaligen Siebenkämpferin, die bereits Jason Joseph in die Weltspitze führte, absolviert Kambundji seit vergangenem Herbst das Hürdentraining in Basel. Müller traute ihrer Athletin aufgrund der Leistungen im Training eine solche Zeit zu. «Aber dass es gerade hier passiert, ist natürlich cool. Zumal der Finallauf nicht optimal war», hält sie fest. Grosses Potenzial hatte Kambundji bereits, als sie nach Jahren unter Adrian Rothenbühler im Herbst zur Hürdenspezialistin wechselte. Nun hat sie ihre Technik noch verbessert, ebenso die Grundschnelligkeit. Es sind die beiden Eckpfeiler, die zum Coup führten.
Joseph mit denkbar schlechter WM-Hauptprobe
Im ganzen Trubel um Kambundji geht beinahe unter, dass andere Athletinnen und Athleten ebenfalls ordentliche Leistungen abliefern. Da ist natürlich ihre grosse Schwester Mujinga, die in Bern erst ihren vierten Wettkampf in diesem Jahr absolviert und die 100 m in 11,15 läuft – es handelt sich um ihre drittschnellste Zeit in diesem Jahr. «Es war nicht mein bestes Rennen, aber es war okay», hält sie fest. Zumal sie ihren lädierten linken Fuss mit der entzündeten Plantarfaszie während des Laufs nicht gespürt hat.
Gar ein Ausrufezeichen setzt Tom Elmer. Über 1500 m verbessert der Glarner in 3:34,50 seine Bestzeit um eine Sekunde. Das hatte er sich, angetrieben von Trainingskollege George Mills, vorgenommen.
Weniger glücklich ist Jason Joseph. So hatte sich der Landesrekordhalter über 110 m Hürden (13,10) seinen letzten Wettkampf vor der WM definitiv nicht vorgestellt. Zumal ihm seit Wochen eine Zeit unter 13 Sekunden im Kopf herumschwirrt. Nur, in Bern geht fast alles schief. Bereits die sechste Hürde touchiert er, versucht dann nochmals zu beschleunigen, was kombiniert mit dem Rückenwind ins Verderben respektive zum Sturz bei der letzten Hürde führt. «Das ist sch… Aber lieber passiert mir das jetzt als dann bei der WM», hält der Hallen-Europameister lakonisch fest. «Ich fühle mich gut und bin fit, deshalb lasse ich mich deswegen nicht beunruhigen.»
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