Neue Kontroverse um Beznau «Gift für das Vertrauen»
Ein Fehler beim Erdbebenschutz, 30 Jahre unentdeckt: Der jüngste Vorfall bei Beznau beschäftigt die Politik. Gefordert werden die Abschaltung der Anlage und die Publikation der laufenden Untersuchung.
In Beznau hat bei zwei Notstromdieseln bis vor kurzem ein wichtiger Schutz gegen Erdbeben gefehlt. Der Montagefehler wurde fast 30 Jahre nicht bemerkt, wie diese Zeitung letzte Woche publik gemacht hat. Der Stromkonzern Axpo klärt nun ab, ob die Erdbebensicherheit seiner Anlage vollumfänglich gewährleistet war, namentlich im Zeitraum zwischen 1993 und 2015.
Der Fall beschäftigt nun auch die Politik. Für die Atomgegner im rot-grünen Lager ist er ein Beleg mehr dafür, dass Beznau – mit Jahrgang 1969 das dienstälteste Kernkraftwerk der Schweiz – definitiv vom Netz muss. «Nach über 50 Jahren Betrieb und so viel Nachrüstungen kann niemand mehr die Sicherheit der Anlage garantieren», sagt SP-Fraktionschef Roger Nordmann. Nordmann zieht den Vergleich zu einem «veralteten Computerprogramm», bei dem niemand mehr garantieren könne, dass es zuverlässig funktioniere.
Die Axpo ihrerseits will Beznau so lange weiterbetreiben, wie es «die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit zulassen». Was das in Jahre umgemünzt heisst, ist unklar. Sicher ist hingegen: Die Aufsichtsbehörde Ensi hat den Sicherheitsnachweis für die Betriebsdauer von 60 Jahren bestätigt, also bis 2029.
Drei Jahre stillgelegt
Beznau hat in der Vergangenheit wegen Mängeln wiederholt für Aufsehen gesorgt. Spektakulär war insbesondere die Kontroverse um den Reaktordruckbehälter, also um das Herzstück des Reaktors, wo die nukleare Kettenreaktion abläuft und sich Fehler fatal auswirken können. 2015 hatte die Axpo in dessen Stahl Fremdmaterial-Einschlüsse gefunden. Die Anlage musste in der Folge wegen Sicherheitsbedenken für drei Jahre vom Netz; 2018 schliesslich akzeptierte die Aufsichtsbehörde Ensi den Sicherheitsnachweis des Stromkonzerns.
Für SP-Politiker Nordmann ist es im Lichte des aktuellen Falls ein «Skandal», dass die Schweiz den Weiterbetrieb eines «so gefährlichen» Werks zulässt. Andere Parlamentarier sind zurückhaltender. Ständerat Damian Müller (FDP) möchte die Aufarbeitung durch die Axpo abwarten, erwartet aber, dass diese öffentlich gemacht wird. Sollte sich bestätigen, dass die Erdbebensicherheit tatsächlich so lange beeinträchtigt gewesen ist, gibt es aus Müllers Sicht aber «sicher Diskussionsbedarf». «Solche Vorkommnisse sind Gift für das Vertrauen in unsere Kernkraftwerke.»
Weil es sich bei Beznau um ein politisch sensibles Dossier handelt, stellt sich die Frage, ob die beiden Umweltkommissionen von National- und Ständerat den Fall aufarbeiten sollen. Nationalrat Christian Imark (SVP) sieht darin durchaus eine Option. Allerdings, so macht er klar, glaube er kaum, dass die Politiker den Fall besser beurteilen könnten als die Experten des Ensi.
Zum unentdeckten Montagefehler will sich Imark nicht äussern, solange der Sachverhalt und die möglichen Auswirkungen nicht sauber geklärt seien. Auch Parteikollege Mike Egger äussert sich nicht dazu, da es sich um eine technische Frage handle. Er verweist aufs Ensi, «da die Zuständigkeit und Verantwortung dort liegt».
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