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Menschenhandel-Prozess in Genf
Anwälte der Milliardärs­familie fordern Absetzung der Richter

Indian-Swiss billionaire family members Namrata Hinduja (L) and Ajay Hinduja (R) arrive at the Geneva’s courthouse with their lawyers Yael Hayat (unseen) and Robert Assael (C) at the opening day of her trial for human trafficking on January 15, 2024. The family has been accused of having employed several foreign servants without work authorization or residence permit, of having remunerated them in a terse manner by making them work without day off while retaining their passports and preventing them from leaving home. (Photo by GABRIEL MONNET / AFP)
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Was ist den Hausangestellten in der Genfer Villa der Milliardärsfamilie Hinduja widerfahren? Haben das Ehepaar Kamal und Prakash Hinduja, deren Sohn und Schwiegertochter die Angestellten tatsächlich derart ausgebeutet, dass ein Fall von Menschenhandel vorliegt?

Zwei Klägerinnen und ein Kläger beteuern, sie hätten für den Hinduja-Clan jahrelang von Sonnenaufgang bis Mitternacht gearbeitet, sieben Tage die Woche. Sie hätten in ständiger Angst gelebt, hätten das Hinduja-Anwesen nie verlassen dürfen und seien miserabel bezahlt worden. (Diese Zeitung hat darüber berichtet.)

Ob Straftaten vorliegen, soll ein Genfer Strafgericht nun erstinstanzlich klären. Doch am zweiten Prozesstag am Donnerstag war das Gericht gezwungen, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Kamal und Prakash Hinduja liessen den drei Richtern am Donnerstag via ihre Anwälte ausrichten, sie seien befangen und müssten abgesetzt werden. Ihre Anwälte verlasen entsprechende Anträge im Gerichtssaal.

Das Pikante dabei war: Kamal und Prakash Hinduja waren selbst nicht vor Ort, sondern in Dubai. Nach dem ersten Gerichtstermin am 15. Januar liessen sie am Donnerstag auch den zweiten platzen. Ihr Gesundheitszustand erlaube derzeit keine Anreise, sagten die Anwälte dem Gericht. Der Ehemann habe Herzprobleme, die Ehefrau leide an Schwindel und Angstzuständen.

Er weile derzeit mit Herzproblemen in Dubai: Das Familienoberhaupt Prakash Hinduja 2016 am World Economic Forum (WEF) in Davos.

Ihren Befangenheitsvorwurf an die Genfer Richter begründeten die beiden damit, dass sie den Strafprozess am 15. Januar formell eröffneten, obwohl sie gar nicht zugegen waren und darüber hinaus zwei Strafverteidiger krankheitsbedingt fehlten. Das Gericht versuche den Prozess möglichst rasch voranzutreiben und ignoriere, dass ein Angeklagter niemals ohne seinen Verteidiger im Gerichtssaal sitzen dürfe, betonte seitens der Familie einer ihrer insgesamt vier Verteidiger. Das Gericht habe «ein riesiges Schlamassel angerichtet», darum müsse es abgesetzt, sämtliche bisherigen Prozessakten vernichtet und der Prozess neu angesetzt werden, lautete die Totalforderung.

Enervierter Staatsanwalt

«Was hat das Gericht denn bislang getan?», konterte Staatsanwalt Yves Bertossa. Es habe lediglich die Identität der Schwiegertochter geprüft. Dafür brauche kein Angeklagter einen Anwalt. Befragungen habe es bislang keine gegeben, so Bertossa. Das Verhalten der Angeschuldigten weise eher darauf hin, den Strafprozess zu ihrem eigenen Vorteil zu missbrauchen. Das sei unaufrichtig. Während der Strafuntersuchung habe es Einvernahmen gegeben, in denen die Angeschuldigten jede Frage mit «Ich äussere mich nicht» beantwortet und so zwanzig Protokollseiten mit ein und derselben Antwort gefüllt hätten, enervierte sich Bertossa. «Die Angeklagten wollen der Justiz aus dem Weg gehen, um nicht über ihren Straftaten sprechen zu müssen», warf die Anwältin einer der drei Klägerinnen ein.

Das Gericht wies den Antrag auf seine Absetzung ab. Zu seiner eigenen Entlastung leitete es den Antrag aber dennoch direkt an die Rekursinstanz weiter. Forderungen nach Absetzungen hatte es bereits während der Strafuntersuchung gegeben. Die Hinduja-Anwälte forderten in einem Dutzend Fällen vor Gerichten aller Instanzen die Absetzung von Polizisten und Staatsanwälten, blieben jedoch in sämtlichen Fällen erfolglos.

Verteidiger sehen Klassenjustiz

Die Anwälte des Hinduja-Clans sprachen am Donnerstag von einer «auf den Kopf gestellten Klassenjustiz». In Genf würden vermögende Menschen vor Gericht hart angegangen, während «die Lügen und Widersprüche der Kläger» unangetastet blieben, sagte ein Verteidiger. Ein Anwalt der Klägerseite warf wiederum die Frage auf, warum die Staatsanwaltschaft für die Hinduja-Familie keine Untersuchungshaft beantragt habe, was die Genfer Staatsanwaltschaft in Fällen von Menschenhandel ansonsten immer mache.

Für Kamal und Prakash Hinduja sind die Zeichen klar. Bleiben sie dem Gericht weiter fern, müssen sie damit rechnen, dass der Strafprozess in ihrer Abwesenheit durchgeführt und in der Folge ein Urteil gefällt wird.

Der Prozess dürfte erst im März weitergehen.