5:2 gegen NorwegenDer völlig verrückte Torsong und eine Kartoffel, die Tore schiesst
Der Schweiz gelingt der WM-Auftakt nach Wunsch. Es ist in jeglicher Hinsicht das perfekte Startspiel – weil es auch keinen Grund zum Abheben bietet.
Sven Senteler ist die Kartoffel des EV Zug. Und das ist nicht despektierlich gemeint, sein Clubtrainer Dan Tangnes nennt ihn so. Weil: «Egal, wo ich ihn pflanze, er wächst und blüht.» Oder in simplerer Eishockeysprache: Tangnes setzt den Center immer wieder mit unterschiedlichen Flügelstürmern ein, weil dieser sich auf alle und alles anpassen könne. Nun ist Senteler auch erstmals WM-Torschütze für die Schweiz, mit 31 Jahren. Das freut auch seinen Clubtrainer zu Hause: «Welch eine schöne Story!»
Senteler ist eine jener Nominationen von Patrick Fischer, die da und dort Fragen provozierten. Zum Beispiel diese: warum er statt Genfs Tanner Richard, der dem letzten Cut zum Opfer fiel? Dabei kam Sentelers Nomination nicht aus dem Nichts. Von wegen Kartoffel, es gab in der langen WM-Vorbereitungsphase fast nur diese eine Konstante im Nationalteam: Senteler in der Mitte und seine beiden Zuger Teamkollegen Fabrice Herzog und Dario Simion links und rechts. Sie überstand nicht nur alle Cuts, sondern auch alle Rotationen des Nationaltrainers. «Die Chemie stimmte, wir sprachen viel miteinander, ‹Fischi› lobte uns – wir ahnten darum bald einmal, dass es mit uns klappen könnte.»
Und nun erzielt er gegen Norwegen nicht nur den Gamewinner zum 3:1. Der Pass kommt von Roman Josi, im ersten gemeinsamen Spiel der beiden – das macht Sentelers Story fast schon zum Kitsch: «Das ist sehr cool! Er ist eine Riesennummer, jeder schaut zu ihm hoch.»
Und plötzlich wird «Richi!» gebrüllt
Auch nach Sentelers Treffer gibt es einen kurzen seltsamen Moment im Stadion, wie vier weitere Male auch. Jede Nation darf ihren Torsong selbst wählen, jener der Schweiz dürfte der speziellste sein, weil «Musik» hier zum dehnbaren Begriff wird: «Richi! I ha gseit, du söusch di guet häbä!» schallt es da plötzlich auf Berndeutsch durch die Halle. Es ist Auswanderer Herrmann Schönbächler aus der SRF-Sendung «Auf und davon», der die 16’000 im Stadion anbrüllt – der Satz, kurz nachdem er ungewollt seinen kleinen Sohn Richi aus der Baggertür warf, wurde zum Internet-Kult.
Für den fünften und letzten «Richi!» sorgt Nino Niederreiter im Powerplay. Es ist das erste Tor eines Schweizer NHL-Spielers in der Partie, die «Nordamerikaner» steuern aber fünf Assists bei, ausgerechnet Nico Hischier bleibt ohne Skorerpunkt. Das 5:1 mag nur noch eine Randnotiz sein, für den Bündner Stürmer ist sie aber Gold wert. Denn in der NHL hatte er bei Winnipeg seit dem 6. März und in 21 Spielen nicht mehr getroffen. «Das Tor tat gut, auch, weil ich damit der Mannschaft helfen konnte», sagt Niederreiter zum Ende der schwarzen Serie.
Wirklich zufrieden ist der Stürmer aber nicht. Zu aufregend ist das Spiel für seine Linie verlaufen. Sie erzielt zwar die ersten beiden Treffer, kassiert aber auch das erste Gegentor. Dies, weil nach einem Puckverlust Chaos ausbricht und alle kurz kopflos nur noch der Scheibe hinterherjagen. «Wir hatten generell viele Turnover, brachten Pucks nicht aus der Zone – gegen Topteams wäre es da noch viel brenzliger geworden», sagt Niederreiter.
Er findet für die Norweger aber lobende Worte, weil nach dem unverhofften Ausgleich die Schweizer ein paar Minuten lang bange Momente zu überstehen haben: «Sie spielten physisch stark und waren läuferisch gut. Sie waren darum ein guter Startgegner für uns.» Und damit bringt der Stürmer der Winnipeg Jets die Partie aus Schweizer Sicht auf den Punkt.
Es war ein in allen Belangen perfekter Auftakt für Fischers Team. Das Spiel wurde klar und verdient gewonnen. Es diente in vielerlei Hinsicht auch als guter Test, gerade für Niederreiter. Denn wenn die Senteler-Linie die Konstante der bisherigen WM-Kampagne ist, dann sind Niederreiter/Jäger/Andrighetto das komplette Gegenteil. Es ist das einzige neue Trio des Spiels. Niederreiter, der auf der ungewohnten rechten Seite spielte, sieht auch bei sich selbst viel Verbesserungspotenzial: «Die Umstellung auf das grosse Eisfeld, das Ganze auch noch auf der ‹anderen› Seite – ich muss noch Laufwege und genaue Stärken der beiden kennen lernen.»
Diese schlechten Momente dürften verhindern, dass im Team auch nur der Ansatz von Überheblichkeit ausbricht. Das ist wichtig, denn der zweite Schweizer Gegner am Sonntag ist mit Roger Baders und Arno Del Curtos Österreich ebenfalls ein «Kleiner». Das Spiel müsse die Schweiz gewinnen, stellte Niederreiter klar. «Aber wir dürfen nicht das Gefühl haben, das werde einfach.»
10’
Und dann schickt Zuccarello mit einem langen Pass Salsten auf die Reise. Der Norweger scheitert an Genoni. Josi stört noch entscheidend
9’
Die Schweizer können nicht profitieren. Es gelingt kaum, Torgefahr zu erzeugen. Norwegen ist wieder komplett
7’
Erste Strafe des Spiels. Es trifft den Norweger Kaasastul nach einem Halten an Kurashev. Die Schweiz während 2 Minuten mit einem Mann mehr
3’
Und gleich die nächste Chance. Haas versucht es per Buebetrickli. Wieder ein Abpraller bei Arntzen. Doch dann rettet der Torhüter gegen Ambühl mit der Fanghand.
3’
Top-Chance für Dean Kukan. Arntzen mit Mühe. Beinahe kann Simion nach einem Abpraller profitieren.
1’
Kurashev und Siegenthaler mit den ersten Abschlüssen. Die Schweiz kann sich immer wieder im Drittel des Gegners festsetzen
1’
Das Spiel läuft. Nico Hischier gewinnt das erste Bully
Aufstellung Schweiz
Patrick Fischer setzt auf Torhüter Leonardo Genoni. Sven Jung und Thierry Bader sind überzählig. Christoph Bertschy fungiert als 13. Stürmer. Mit Roman Josi, Nino Niederreiter, Nico Hischier, Philipp Kurashev, Jonas Siegenthaler sowie dem überzähligen Akira Schmid stehen Fischer 6 NHL-Söldner zur Verfügung.
Aufstellung Norwegen
Da Minnesota es nicht ins Playoff geschafft hat, kann Norwegen erstmals seit 2016 wieder auf den NHL-Star Mats Zuccarello zählen (931 Partien). Der 36-jährige Stürmer erzielte in den letzten drei Saisons für die Wild 61 Tore und 157 Assists. Bei seiner letzten Teilnahme bezwang Norwegen die Schweiz in der Overtime mit 4:3. Dieser Sieg sollte bis heute Norwegens letzter WM-Erfolg gegen die Schweiz bleiben.
Mit Patrick Thoresen sticht ein zweiter Akteur aus dem Team heraus. Der 40-Jährige spielte eins in der National League für Lugano und den ZSC.
Die Ausgangslage
Bei den letzten beiden Weltmeisterschaften zeigte die Schweiz eine jeweils souveräne Vorrunde, gewann 13 von 14 Partien und beendete die Gruppenphase stets auf dem 1. Platz. Doch als es ernst galt, vermochte das Team von Patrick Fischer das Potenzial nicht mehr abzurufen – und scheiterte zuletzt als Favorit dreimal im Viertelfinal. Nun steht Fischer bei seiner achten WM unter besonderer Beobachtung. Ein Verpassen des Halbfinals würde für viel Enttäuschung sorgen. Und den Wunsch nach einem neuen Nationaltrainer vergrössern. Lesen Sie hier mehr dazu
Es geht bald los
Willkommen zum Liveticker des ersten WM-Auftritts der Schweizer Nationalmannschaft. Das Spiel gegen Norwegen beginnt um 16.20 Uhr.
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