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Spur führt in die Schweiz
Justiz jagt den Hauptverdächtigen der Cum-Ex-Affäre

Hanno Berger, Anwalt und vermeintlicher Initiator der Cum-Ex-Geschäfte, fotografiert in Zuoz.
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Zuoz im Kanton Graubünden ist ein beschaulicher Ort. Wenig mehr als 1000 Einwohner leben in dem Dorf zwischen Inn und Hochgebirge, Skilifte führen vom Ortsrand hinauf in die Berge, Bilder im Netz zeigen, wie auf dem zentralen Dorfplatz klares Wasser in einen kleinen Brunnen plätschert. Dorthin hat sich vor Jahren ein Mann zurückgezogen, den in Deutschland viele lieber vor Gericht sehen wollen als an seinem Wohnsitz in den Schweizer Alpen: Dr. Hanno Berger, 69 Jahre alt, Steueranwalt, bekannt als einer der Hauptverdächtigen im Cum-Ex-Steuerskandal, der international für Aufsehen gesorgt hat. Eine erste Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt wegen Steuerhinterziehung am Landgericht Wiesbaden konnte er bislang aussitzen. Der Prozess ist kürzlich Corona-bedingt auf Januar vertagt worden und Berger angeblich krankgemeldet.

Jetzt kommt noch mehr Unruhe in sein Leben in der Schweiz. Auch die Staatsanwaltschaft Köln am Bonner Landgericht hat Anklage gegen Berger erhoben. Der Vorwurf lautet auf Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen. Berger soll als Berater der Hamburger Privatbank Warburg in den Jahren 2007 bis 2011 Aktiengeschäfte auf den Weg gebracht haben, die den deutschen Staat einen dreistelligen Millionenbetrag kosteten. Um etwa 280 Millionen Euro sollen Berger und andere den Fiskus laut Anklage geprellt haben.

Verdächtiger bestreitet Vorwürfe

Berger bestreitet alle Vorwürfe gegen ihn. Er geht davon aus, sich bei Cum-Ex-Geschäften nicht strafbar gemacht zu haben. Das Urteil im ersten Musterprozess wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Cum-Ex am Landgericht Bonn, bei dem Berger allerdings nicht angeklagt war, hatte dieser zuletzt unter der Überschrift «Muster ohne Wert» auf mehr als 30 Seiten als «grob rechtsirrig» kommentiert.

Das Urteil macht deutlich, was die Staatsanwaltschaft Köln Berger jetzt offenbar in ihrer Anklage vorwirft. Denn die 12. Bonner Strafkammer hat sich in dem ersten Prozess gegen zwei frühere Aktienhändler auch ausführlich mit der Person Hanno Berger auseinandergesetzt; sein Wirken war immer wieder Thema vor Gericht. Berger soll in den fraglichen Jahren zahlreiche Mandanten bei steuerschädlichen Aktiengeschäften beraten haben. Nach Erkenntnissen der Ermittler und nach Auffassung der Bonner Strafrichter ging es den Beteiligten dabei stets darum, sich an der Steuerkasse zu bereichern. Mit komplizierten Handelsmodellen verschoben die Akteure Aktien rund um den Zahltag der Dividende, um sich zuvor nicht bezahlte Kapitalertragsteuer anrechnen oder erstatten zu lassen. In diesem Zusammenhang ermittelt allein die Staatsanwaltschaft Köln gegen etwa 900 Beschuldigte in mehr als 60 Verfahren.

Auf Anfrage teilt ein Anwalt von Berger mit, die «Feststellungen gegenüber dem am Verfahren gar nicht beteiligten» Berger in dem Urteil dienten nur dazu, ihn «öffentlich blosszustellen und vorzuverurteilen», ausserdem seien sie nicht wahr. Dem Landgericht Bonn wirft Bergers Anwalt Willkür vor.

Mit Berger könnte bald einer der prominentesten Beschuldigten vor Gericht kommen. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hatte das mit einer ersten Anklage am Landgericht Wiesbaden vor drei Jahren bereits versucht. Die Frankfurter Ermittler bezeichnen Berger darin als «Spiritus Rector» der Cum-Ex-Deals; er gilt als genialer Kopf, seine Überzeugungskraft ist legendär.

«Hanno Berger möchte seinen Gesundheitszustand nicht in den Medien diskutiert sehen.»

Anwalt von Hanno Berger

Berger, der sich im Jahr 2013 während einer Razzia in seiner Kanzlei in die Schweiz abgesetzt hatte, bestritt von Anfang an jegliches strafbare Verhalten. Dem Verfahren in Wiesbaden wollte er sich nach eigener Aussage stellen, legte dann aber im Sommer offenbar Atteste seiner Schweizer Ärzte vor, wonach er verhandlungsunfähig sein soll. Dem Gesuch des Gerichts, er möge sich noch einmal von deutschen Ärzten untersuchen lassen, ist er bislang offenbar nicht nachgekommen. Einer seiner Anwälte erklärt dazu, Berger wolle «seinen Gesundheitszustand nicht in den Medien diskutiert sehen».

Die Kölner Staatsanwaltschaft hat angesichts der Vorgänge in Hessen jetzt anscheinend die Geduld mit dem mutmasslichen Architekten zahlreicher Cum-Ex-Geschäfte verloren. Nach Jahren, in denen die Ermittler geduldig allen zugehört hatten, die als Beschuldigte zu den Deals aussagten, änderten sie in diesem Jahr ihre Gangart: Es gab Haftbefehle gegen Hedgefonds-Manager im Ausland, Vermögen wurde eingefroren. Eine weitere Anklage gegen andere Akteure liegt bereits in Bonn bei Gericht. Ein internationaler Haftbefehl gegen Berger würde zu diesem zunehmend harten Vorgehen passen.

Privatbank soll 176 Millionen Euro zurückzahlen

Im Fall von Berger geht es teilweise auch wieder um jene Millionensummen, die im Zusammenhang mit Warburg bereits Thema vor Gericht waren. Laut dem Bonner Urteil soll die Privatbank 176 Millionen Euro an unrechtmässig ausgezahlten Steuern zurückerstatten. Bei Warburg heisst es, man habe nie vorsätzlich rechtswidrig gehandelt und man habe auch nicht darauf abgezielt, zuvor nicht erhobene Steuern zu kassieren. Gegen das Bonner Urteil haben die Anwälte des Instituts Revision eingelegt, in der Sache entscheidet irgendwann der Bundesgerichtshof.

Strafrechtlich kommt auf Warburg indes noch einiges zu. Denn Berger ist im Bonner Urteil meist gemeinsam mit dem früheren Warburg-Chef und -Teileigentümer Christian Olearius sowie mit einem weiteren früheren Generalbevollmächtigten der Bank genannt.

Um das alles aufzuklären, müsste das Landgericht aber erst einmal die Anklage zulassen und die Hauptverhandlung eröffnen. Und Berger müsste sich aus den Schweizer Bergen auf den Weg ins Rheinland machen. Ob es noch so weit kommt? Nach jahrelangen Ermittlungen gegen Berger lässt sich nur so viel sagen: Dem Mann ist vieles zuzutrauen.