Kommentar zu ZwangsmissionierungenDiese Kindergräber müssen die Schweizer Klöster interessieren
Unter der Zwangsmissionierung in Nordamerika litten vor allem Kinder. Die Klöster müssen die Vergehen ihrer einstigen Mitglieder aufarbeiten.
Noch hat die katholische Kirche den sexuellen Kindesmissbrauch durch Kleriker nicht bewältigt. Und schon wird sie vom nächsten Skandal erschüttert. In Kanada wurden bei katholischen Internaten Hunderte von Kinderleichen gefunden. Insgesamt 6000 indigene Kinder sollen durch die prekären Lebensbedingungen in den «Residential Schools» gestorben sein. Bis in die 1990er-Jahre wurden diese Umerziehungsanstalten für Indianerkinder vom Staat alimentiert und von Orden geführt.
Dank dem Luzerner Historiker Manuel Menrath wissen wir, dass auch Schweizer Ordensleute dort wirkten. Wie viele und in welchen Internaten, muss noch erforscht werden. Für die USA hat Menrath das bereits geleistet und an der Figur des Einsiedler Benediktiners Martin Marty festgemacht. Er gründete in Indianerreservaten Boarding Schools, um den Kindern alles Indianische auszutreiben.
Die Benediktiner wussten, dass Zwangsbekehrung der Indigenen über die Kinder laufen musste. Menrath hat schon vor Jahren geschrieben, dass jede Boarding School einen eigenen Friedhof für Kinder hatte, «welche den ‹Zivilisierungsprozess› nicht überlebten».
Kultureller Rassismus
Laut dem Einsiedler Abt Urban Federer müssen Kirche und Staat vor Ort dieses dunkle Kapitel aufarbeiten. Das genügt nicht. Gefordert sind gerade die Schweizer Mutterklöster, den Spuren ihrer Mönche in Nordamerika nachzuforschen. Zahlreiche Geistliche aus den im Sonderbundskrieg unterlegenen Innerschweizer Kantonen wanderten im späten 19. Jahrhundert nach Nordamerika aus, um dort ihren Kulturkampf fortzusetzen. Paradoxerweise konnten sie dank der Religionsfreiheit ihren antiliberalen und antimodernistischen Geist ausleben – bis hin zu kulturellem Rassismus: Die unzivilisierten Indigenen sollten am allein selig machenden Glauben der katholischen Kirche genesen.
Mit dem Missionsverständnis von einst müssen Orden und Kirche ihren unseligen Klerikalismus hinterfragen, der immer wieder Kinder zu seinen ersten Opfern macht.
Fehler gefunden?Jetzt melden.