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Gefahr des Jod-Mangels
Das vergessene Spurenelement

Eine jodhaltige Ernährung ist Voraussetzung, damit der Körper einwandfrei funktioniert. Fisch, Fleisch und Milchprodukte sind besonders gute Jodquellen.
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Noch vor hundert Jahren war das Problem auch in der Schweiz verbreitet: Viele Menschen waren von einem entstellenden Kropf gezeichnet – einer Wucherung der Schilddrüse, zu der es meist aufgrund von Jodmangel kommt. In Regionen, in denen Wasser und Böden nur geringe Mengen Jod enthalten, fehlte das Spurenelement.

Die Schilddrüse aber braucht Jod, um Hormone zu bilden. Ist der Hormonspiegel im Blut zu tief, stimuliert die Hirnanhangsdrüse (die Hypophyse) die Schilddrüse stärker, worauf diese zu wachsen beginnt. Häufig kommt es auch zu Schilddrüsen-Unterfunktionen mit Symptomen wie Müdigkeit, Gewichtszunahme und depressionsähnlichen Zuständen.

Seit hundert Jahren wird in der Schweiz das Salz mit Jod angereichert.

Seit die Schweiz 1922 als erstes Land begann, dem Salz Jod zuzufügen, sind jodmangelbedingte Unterfunktionen und Kröpfe stark zurückgegangen. Auch sogenannte Kretine werden keine mehr geboren: Dabei handelte es sich um kleinwüchsige Menschen mit einer geistigen Behinderung, hervorgerufen durch Jodmangel der Mutter während der Schwangerschaft.

«Im Internet wird Misstrauen und Skepsis gegenüber der Salz-Jodierung geschürt.» 

David Fäh, Ernährungswissenschaftler

Doch wie neuere Studien zeigen, ist die Jodversorgung in der Bevölkerung heute wieder am unteren Limit. Obwohl die Anreicherung des Salzes 2014 sogar noch erhöht wurde, sind besonders schwangere Frauen und Menschen, die sich vegan ernähren, unterversorgt.

Warum sich die Situation nicht verbessert hat, ist nicht ganz klar. Einerseits würden wohl viele aufgrund von Falschinformationen unjodiertes Salz kaufen, vermutet David Fäh, Präventivmediziner und Ernährungswissenschaftler an der Berner Fachhochschule. «Im Internet wird Misstrauen und Skepsis gegenüber der Salz-Jodierung geschürt.»

Auf alternativen Portalen kann man zum Beispiel lesen, ein Teil der Bevölkerung reagiere empfindlich auf Jod und entwickle wegen der Anreicherung von Lebensmitteln eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse. Solche Behauptungen hält Fäh jedoch für unzutreffend. «Gesundheitliche Probleme können nur bei einer massiven Überdosierung entstehen.»

Zudem stelle die Lebensmittelindustrie viele Produkte mit nicht jodiertem Salz her, erklärt der Ernährungswissenschaftler. Weil der Trend zu verarbeiteten Produkten eher zunehme und weniger selber gekocht werde, könne daraus leicht eine Unterversorgung entstehen. Auch importierte Lebensmittel enthalten nicht immer eine ausreichende Menge Jod. Denn je nach Herkunftsland unterscheidet sich die Praxis der Beimischung. In Deutschland zum Beispiel wird Salz ebenfalls mit Jod angereichert, jedoch weniger stark als in der Schweiz.

Algen und Meeresfisch

Dass Veganerinnen und Veganer tendenziell unterversorgt sind, führt David Fäh darauf zurück, dass sie keine tierischen Produkte zu sich nehmen. Denn Meeresfische und Milchprodukte sind neben dem Speisesalz wichtige Jodlieferanten – Letztere vor allem, wenn die Tiere jodiertes Futter zu fressen bekommen, wie es in der Schweiz und in den meisten anderen europäischen Ländern der Fall ist. Biomilch und -fleisch dagegen enthalten weniger Jod als konventionell erzeugte Produkte – vor allem im Sommer, wenn sich die Tiere vorwiegend auf der Weide ernähren.

Menschen, die sich vegan ernähren, haben zwar häufig ein überdurchschnittliches Wissen über Ernährung. So weisen die meisten von ihnen heute kaum mehr einen Vitamin-B-12-Mangel auf, weil sie das fast nur in tierischen Lebensmitteln enthaltene Vitamin mit Nahrungsergänzungsmitteln zu sich nehmen. Hingegen scheint die Wichtigkeit von Jod in dieser Gruppe noch zu wenig bekannt zu sein. Eine gute pflanzliche Jodquelle seien Algen, empfiehlt Experte Fäh. Doch damit sei die Dosierung schwierig. «Bei gewissen Arten droht eine Überversorgung, wenn man sie regelmässig konsumiert.»

Jodiertes Kochsalz statt Fleur de Sel

In der Schwangerschaft und Stillzeit ist der Bedarf an Jod und anderen Mikronährstoffen (Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente) erhöht, weil auch das Kind mitversorgt werden muss. Für eine gesunde Entwicklung sollte bereits vor einer Schwangerschaft genügend Jod zur Verfügung stehen. Denn die Nervenzellen werden schon in der achten Woche gebildet. Viele Frauen wissen dann noch gar nicht, dass sie schwanger sind.

Zwar wurden wegen der generellen Unterversorgung der Bevölkerung bis anhin noch keine gesundheitlichen Probleme nachgewiesen, wie dem Ernährungsbulletin des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen von 2019 zu entnehmen ist. Möglicherweise könnten schwangere Frauen vorübergehend eine zu tiefe Jodaufnahme kompensieren und den Fötus mit gespeichertem Jod versorgen, schreiben die Autorinnen. Frauen, die schwanger werden möchten, empfehlen sie jedoch ein jodhaltiges Nahrungsergänzungsmittel.

David Fäh, Präventivmediziner und Ernährungswissenschaftler an der Berner Fachhochschule: «Zu viel Salz gilt als Risikofaktor für Bluthochdruck. Doch wer wenig salzt, sollte umso mehr darauf achten, dass das verwendete Salz auch Jod enthält.»

Einen Zielkonflikt sieht Ernährungswissenschaftler Fäh aufgrund der allgemeinen Gesundheitsempfehlung, den Salzkonsum zu reduzieren. Dies sei zwar sinnvoll, weil zu viel Salz als Risikofaktor für Bluthochdruck gelte. Doch wer wenig salze, sollte umso mehr darauf achten, dass das verwendete Salz auch Jod enthalte. Dies ist zum Beispiel beim Meersalz nur unzureichend der Fall, obwohl aus dem Meer jodhaltige Speisen wie Fisch und Algen kommen. «Es ist ein Witz, dass Meersalz als gesund gilt und in vielen Rezepten deshalb empfohlen wird», sagt Fäh.

Ähnlich verhält es sich mit den zahlreichen Spezialitätensalzen. Wer in einem Lebensmittelgeschäft vor dem Gewürzregal steht, kann sich schon mal etwas überfordert fühlen von der Menge an Sorten: Fleur de Sel aus der Camargue für 6.60 Franken à 125 Gramm? Ruft Erinnerungen an Flamingos und weisse Pferde wach. Oder eher weisses Gold aus Sizilien? Murray River Salt Flakes oder die groben rosa Körner aus dem Himalaja? Das Salz aus dem hohen asiatischen Gebirge soll entgiftend wirken, Entzündungen hemmen und gegen alle Arten von Schmerzen helfen – so die Versprechungen.

So edel all diese Körner und Flocken in schicken Packungen erscheinen mögen: Sie sind nicht gesünder als gewöhnliches Kochsalz. Dies hat eine Studie des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit von 2016 gezeigt, in der 25 in der Schweiz erhältliche Spezialitätensalze analysiert wurden – darunter 10 Steinsalze und 15 Meersalze. Die meisten davon enthalten kein oder nur sehr wenig Jod und Fluor. Auch die versprochenen Mineralien und anderen Nährstoffe wurden in der Analyse nur sehr spärlich gefunden. Beim Salzkauf darf man also getrost das Portemonnaie schonen und zur gewöhnlichen Kochsalz-Packung greifen – für gerade einmal 95 Rappen das Kilo.