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Urteil zum Theranos-Betrug
11 Jahre Gefängnis – Keine Gnade für das einstige Wunderkind Elizabeth Holmes

Im Alter von 19 Jahren gründete sie ihr Unternehmen Theranos – ein funktionierendes Produkt entwickelte die Firma nie:  Elizabeth Holmes auf dem Weg ins Gericht in San Jose, Kalifornien.
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Elizabeth Holmes ist Mutter und mit einem zweiten Kind schwanger. Sie ist 38 Jahre alt und fürchtet um ihre Familie, als sie vor Richter Edward Davila tritt. «Ich bedauere meine Verfehlungen mit jeder Faser meines Körpers», sagt sie unter Tränen, «ich habe alles gegeben, um das Unternehmen zu retten.» Sie bittet um eine Haft von höchstens 18 Monaten, und sie möchte die Strafe in Halbgefangenschaft zu Hause in Form eines Sozialdienstes verbüssen.

Doch schon vor ihrem Schlusswort hatte Richter Davila begründet, warum nicht Nachsicht, sondern eine harte Strafe am Platz sei. Die Forderung von Holmes sei nachvollziehbar, dem unternehmerischen Geist im Silicon Valley Rechnung zu tragen und das Scheitern einer Startup-Firma als Teil dieser Risikokultur zu akzeptieren. Die Angeklagte sei aber nicht nach diesen Kriterien zu beurteilen, sondern einzig danach, dass sie mit ihrem Unternehmen Theranos Investoren böswillig betrogen habe. In mindestens zehn Fällen seien diese nachweislich hintergangen worden, führte der Richter aus, und Holmes persönlich habe eine Schadensumme von 121 Millionen Dollar zu verantworten.

Mit dem Urteil von elf Jahren und drei Monaten setzte der Richter die Messlatte hoch. Zwar ging er nicht so weit wie die Anklage, die eine Haft von 15 Jahren forderte, aber er überschritt das vom Bewährungshelfer vorgeschlagene Strafmass von neun Jahren deutlich.

Die Höhe der Strafe lässt sich vergleichen mit der Prozesswelle im Nachgang zum Kollaps der Internet-Blase im Jahr 2000, als Dutzende von Firmen als betrügerisch entlarvt wurden. So wurde der Präsident des Grossbetrugs-Konzerns Enron, Jeffrey Skilling, zu einer 14-jährigen Gefängnisstrafe verurteilt. John Rigas, Gründer des Telekom-Unternehmens Adelphia, musste 12 Jahre hinter Gitter. Die Verursacher der Finanzkrise von 2008 hingegen kamen ungeschoren davon. Und obwohl es in den letzten Jahren klare Anhaltspunkte für betrügerische Machenschaften bei Uber, Juul und WeWork gab, griff die Justiz nicht durch.

Hohe Messlatte für Krypto-Betrüger

Das Urteil gegen Holmes müsse als Warnung für Unternehmen im Silicon Valley gesehen werden, dass es eine Grenze zwischen den himmelhohen Versprechen von Unternehmern einerseits und bewusster Irreführung und Manipulation andererseits gebe, sagt Wirtschaftsanwältin Amanda Kramer dem Wall Street Journal. Den hartnäckigen Recherchen eines Reporters des Wall Street Journal allein ist es zu verdanken, dass der systematische Betrug durch Holmes aufgedeckt und strafrechtlich geahndet wurde.

Das Urteil dürfte der Massstab sein, nach dem weitere Betrugsfälle in und rund um die Tech-Industrie beurteilt werden. Im Besonderen erinnert der Aufstieg und Fall von Sam Bankman-Fried an das Theranos-Debakel. Die Staatsanwaltschaft in New York, die Börsenaufsicht SEC und die Aufseher der Rohstoff- und Futures-Börsen haben mit dem Verdacht auf Betrug bereits Ermittlungen gegen den Gründer der Kryptoplattform FTX aufgenommen, da er Gelder von Kunden illegal für Spekulationen auf seine eigene Rechnung missbraucht und mehrere Milliarden Dollar an Startkapital für sich abgezweigt haben soll.

Wie Holmes hatte Bankman-Fried den Ruf eines Wunderkindes, das nichts falsch machen konnte.

15 Jahre langer Schwindel

Holmes war eine 19-jährige Studienabbrecherin, als sie Theranos gründete. Mit ihrem Charme fand sie genügend Geldgeber, die in ihre Idee eines revolutionären Bluttestgeräts investierten. Rupert Murdoch und Larry Ellison gaben ihr Geld, und ältere Herren wie Henry Kissinger und George Shultz liessen sich in den Verwaltungsrat wählen. «Sie hat ausserirdische Qualitäten», schwärmte Kissinger bevor er sich nach dem Kollaps lautlos verabschiedete.

Holmes hatte keine medizinische Ausbildung, aber viel Selbstbewusstsein und mit Apple-Chef Steve Jobs ein Vorbild, dem sie sogar punkto Kleidung nacheiferte. Es gelang ihr, das Unternehmen fast 15 Jahre durchzuziehen, obwohl sie nie ein revolutionäres Bluttestgerät entwickelte und Testresultate verfälschen musste, um die Anleger nicht zu verlieren.

Auf dem Höhepunkt war Theranos auf dem Papier über neun Milliarden Dollar wert; und Holmes kontrollierte 4,5 Milliarden Dollar. Intern allerdings konnte sie ihren Schwindel immer weniger geheim halten. Angestellte sprangen ab und gelangten mit Belastungsmaterial an die Öffentlichkeit. Theranos blutete aus und ging 2018 Konkurs.

«Sie ging mit dem Schiff unter», erklärten ihre Verteidiger vor Gericht und baten um Milde, weil «sie nicht versuchte, sich aus der Verantwortung zu schleichen.» Holmes äusserte in der Tat stets ihr Bedauern über den Kollaps des Unternehmens, aber entschuldigte sich nie dafür, dass ihre Maschinen massenhaft Fehldiagnosen produzierten und Patienten hätten schaden können.

Wann Holmes ihre Strafe antreten muss, ist offen. Da sie das Urteil anfechten will und das Verfahren wahrscheinlich durch alle Instanzen ziehen wird, könnte es Jahre dauern, bis das Urteil vollzogen wird.